Publikationen
Bildung und Forschung ist und bleibt eine gesamtstaatliche Aufgabe
Textbeitrag von Jörg Tauss. In: zwd-Magazin. 4/2008. S. 17.
In kaum einem Politikfeld gehen große Herausforderungen regelmäßig mit ebenso großen Chancen einher, wie im Bereich Bildung und Forschung. Die Nutzung dieser Chancen hängen aber in Deutschland auf Grund unserer föderalen Ordnung wie in kaum einem zweiten Land von der Effektivität und dem Willen zur Zusammenarbeit von Bund und Ländern ab. Die Idee eines Bund wie Länder übergreifenden gesamtstaatlichen Interesses an einem leistungsfähigen Bildungs- wie Innovationssystem bildet daher den Kern des kooperativen Föderalismus, unserem föderalen Grundverständnis als SPD. Ohne ihn reduziert sich politische Gestaltung von Herausforderungen auf Besitzstandswahrung und verkümmern Chancen zu bloßen Gefahren. Es ist nun einmal die Verfassung, die letztlich den möglichen Umfang und auch die Grenzen kooperativen Zusammenwirkens von Bund und Ländern festlegt. Mit jeder Verfassungsreform geht daher immer auch ein bildungs- und forschungspolitischer Epochenwechsel einher.
Bekehrte Radikalföderalisten
Die Föderalismusreform I von 2006 belegt dies mit den zahlreichen aus ihr hervorgehenden Vereinbarungen, etwa auf der neuen Kooperationsgrundlage des Art. 91b im GG. Trotz dieser – übrigens allein von der SPD erkämpften – Kooperationsmöglichkeit führt kein Weg an der Einsicht vorbei, dass der Bund die Verringerung der Einflussmöglichkeiten des Bundesrates im Wesentlichen mit Bildungskompetenzen „bezahlt“ hat. Der Wegfall u.a. der Hochschulrahmenkompetenz des Bundes sowie das neue Finanzhilfeverbot für den Schulbereich zeigen dies. Initiativen wie das erfolgreiche Ganztagesschulprogramm sind für Zukunft damit ausgeschlossen. Die Handlungsspielräume für die Bund-Länder-Kooperation wurden also verringert, obgleich die Herausforderungen weiter zunehmen: Stichworte sind hier PISA, der Bologna-Prozess oder der zunehmende Innovationswettbewerb. Es ist nicht verwunderlich, dass dies mittlerweile viele „Radikalföderalisten“ von 2006 zu gemäßigten kooperativen „Bildungsföderalisten“ konvertieren ließ, nicht zuletzt auch Frau Merkel, Herr Röttgen und auch Frau Schavan.
Wegfall der Erforderlichkeitsklausel?
In der zweiten Stufe der Föderalismusreform werden die mühevoll und langwierig erzielten Kompromisse von 2006 sicher Bestand haben, zumal die Neuordnung der Finanzbeziehungen von Bund und Ländern im Mittelpunkt stehen. Angesichts der jüngsten, in der Regel die Länder stärkenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist zu prüfen, ob das Kriterium der „Erforderlichkeit“ von Bundesgesetzgebung selbst wirklich notwendig ist. Sie hat der Union letztlich die Tür aufgestoßen für die Einführung von Studiengebühren und ist daher mitverantwortlich für den bestehenden, die Mobilität der Studierenden deutlich einschränkenden Flickenteppich zur „Campus-Maut“ in Deutschland. Daher stehen auch sicher zentrale Belange von Bildung und Forschung wieder im Fokus der Diskussionen. Die Bildungs- und Forschungspolitiker der SPD-Bundestagsfraktion haben in einem Positionspapier ihre Vorstellungen zur Föderalismusreform II zusammengefasst. Kernforderung sind
- die Anerkennung von Bildungs- und Forschungsausgaben als Investitionen in die Zukunft im Sinne Art. 115 GG, wie es öffentliche Ausgaben für Straßenbau und in „Beton“ bereits sind. Eine in dieser Hinsicht „neutrale“ da allgemeine Verschuldungsgrenze ist ebenfalls denkbar;
- die Streichung des Finanzhilfeverbotes für den Schulbereich in Art. 104 b GG angesichts der offenkundigen sachlichen Notwendigkeit gemeinsamer Bund-Länder-Anstrengungen;
- neue Möglichkeiten für wirklich verbindliche Bund-Länder-Vereinbarungen zur Erreichung gesamtstaatlicher Ziele, wie z.B. ein 7%-Ziel für Bildung, wie es der SPD-Parteitag 2005 in Karlsruhe beschlossen hat;
- die weitere Entflechtung der Forschungsförderung mit dem Ziel, für die Forschungsorganisationen eine möglichst einheitliche Zuständigkeit von Bund oder Ländern zu erreichen, sowie die Aufhebung der Erforderlichkeit für die Forschungsförderung des Bundes;
- die Abrundung der Föderalismusreform I durch Erweiterung der Bundeskompetenzen um den Hochschulzugang für beruflich Qualifizierte („Studium ohne Abitur“) und Aufhebung der Erforderlichkeit für Ausbildungshilfen wie dem BAföG.
Kooperativer Föderalismus
Insgesamt stehen somit auch in der Föderalismusreform II wichtige bildungs- und forschungspolitische Weichenstellungen auf der Agenda. Für die Bildungs- und Forschungspolitiker der SPD-Bundestagsfraktion ist dabei entscheidend, dass die bildungspolitische Zersplitterung nicht weiter vorangetrieben wird und hinreichend, den bildungspolitischen Herausforderungen angemessene Spielräume für einen echten kooperativen Föderalismus entstehen.