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Sonstige Reden

"Generationengerechtigkeit"

- nicht redigiertes und endkorrigiertes Exemplar – es gilt das gesprochene Wort -

Liebe Genossinnen und Genossen,
liebe Gäste,

ich freue mich sehr, heute Morgen als bildungspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion und Generalsekretär der SPD in Baden-Württemberg zum Thema Generationengerechtigkeit zu Ihnen zu sprechen. Italien ist gerechterweise Fußballweltmeister
geworden – ich bin mir sicher, dass viele Italiener dem zustimmen. Die Franzosen und viele andere dürften hier allerdings anderer Meinung sein. Sie haben den Ausgang des Weltmeisterschaftsfinales vermutlich als ungerecht empfunden. Sie merken, dass man schon bei so banalen Dingen wie Fußball unterschiedlichster Meinung sein kann, was Gerechtigkeit bedeutet. Je nach Standpunkt ergeben sich unterschiedlichste Meinungen.

Im besonderen Maße gilt dies für die Generationengerechtigkeit – zweifellos keine einfache Angelegenheit! Mich beruhigt allerdings zu wissen, dass die Frage der Gerechtigkeit
zwischen den Generationen keinesfalls eine neue ist. Bereits im Alten Testament findet sich dazu folgender lieblicher Vers: "Ein Auge, das den Vater verspottet, und verachtet der Mutter zu gehorchen, das müssen die Raben am Bach aushacken und die jungen Adler fressen."

Keine Sorge, ganz so drastisch soll es hier und heute nicht zugehen. Vielleicht lässt sich das, was mit Generationengerechtigkeit gemeint ist, am besten so ausdrücken: Generationengerechtigkeit ist dann erreicht, wenn die Chancen zukünftiger Generationen auf Befriedigung ihrer eigenen Bedürfnisse mindestens so groß sind wie die der heutigen Generation. Klar ist, dass diese Prämisse langfristig beispielsweise im Umweltschutz oder in der Haushaltspolitik gelten muss – in beiden dürfen wir den Ungeborenen keine unnötigen Lasten mit auf den Weg geben und so ihren Handlungsspielraum einschränken. Der Ausstieg aus der Atomenergie ist übrigens für mich ein solches Beispiel für eine langfristige Generationengerechtigkeit. Ein weiteres Beispiel sind in meinen Augen auch die Studiengebühren, deren Einführung eben genau diese Chancengleichheit verhindert. Dazu aber im Verlauf meines Vortrages noch einiges mehr.

Liebe Genossinnen und Genossen,
der Generationenvertrag bildet die Grundlage unseres Sozialsystems. So nennen wir den gesellschaftlichen Konsens, der beispielsweise die Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung sichern soll. Die heute Erwerbstätigen - oder jedenfalls der Großteil von ihnen, nämlich Sie, die Arbeitnehmer – zahlen mit ihren Beiträgen in die Rentenkasse ein und finanzieren damit diejenigen, die gegenwärtig Rente beziehen. Damit erwerben Sie den Anspruch auf ähnliche Leistungen der nachfolgenden Generationen. So soll Gerechtigkeit zwischen den Generationen erreicht werden. Als dieses Rentensystem, das sog. Umlagesystem, 1957 eingeführt wurde, ging man allerdings davon aus, dass die Bevölkerung mehr oder weniger statisch immer die gleiche Struktur behalten würde – damals gab es weit mehr arbeitende Menschen als Rentner. Und zumindest Konrad Adenauer war sich sicher: "Kinder werden sowieso geboren."

Leider hat sich diese positive Grundannahme als falsch herausgestellt, wie wir heute wissen. Es werden immer weniger Kinder geboren und wir Deutschen leben immer länger. Nachfolgend möchte ich gern kurz die auf uns zukommenden Veränderungen skizzieren, ihre Ursachen aufzeigen und Ihnen die Konsequenzen für die verschiedensten Bereiche unserer Gesellschaft deutlich machen. Denn für mein Verständnis bedeutet der Generationenvertrag mehr als nur die Sicherung der Rente. Die Generationen müssen auch in vielen anderen Bereichen für einander einstehen und die Lasten gemeinsam schultern. Wie ich mir solch eine Generationengerechtigkeit genau vorstelle möchte ich ihnen im Laufe meines Vortrags genauer erklären.

Demografische Entwicklung

Liebe Genossinnen und Genossen,
ich habe gelernt nicht allen Statistiken und Prognosen zu vertrauen, denn viele mussten ein ums andere Mal korrigiert werden. Bei der demographischen Entwicklung sieht dies allerdings anders aus – und einen Blick auf diese Entwicklung in Deutschland halte ich für unabdingbar, wenn man sich mit der Zukunft unserer Gesellschaft befasst. Der demografische Wandel ist – und viel zu lange hat man auch in der Politik die Augen davor verschlossen- eine gesellschaftspolitische Herausforderung mit immensen Auswirkungen. Sowohl für die Politik, die die sozialen Sicherungssysteme diesem Wandel entsprechend gestalten muss, als auch für die Wirtschaft und für die Kommunen und nicht zuletzt für uns alle, da wir ein neues Miteinander erlernen müssen. Lassen Sie uns konkret werden. Nehmen Sie das Beispiel Bad Herrenalb.

2003 lag in Bad Herrenalb das Durchschnittsalter bei 45,3 Jahren. Nur 17 Jahre später, also im Jahr 2020, werden wir schon bei 50,4 Jahren liegen. Und innerhalb des gleichen Zeitraums wird der Anteil der über 60Jährigen auf über 45% steigen. Bad Herrenalb liegt damit zwar ein wenig über dem baden-württembergischen Durchschnitt, allerdings noch unter dem deutschlandweiten Durchschnitt. Im Jahr 2050 wird der Altenquotient, das sind Personen im Alter ab 65 Jahren bezogen auf die Bevölkerung zwischen 25 und 65 – also die sog. erwerbsfähige Bevölkerung – deutschlandweit von jetzt 26,8% bis 2050 um 30 Prozentpunkte auf 57,3% steigen. Im gleichen Jahr wird nahezu jeder Dritte über 65 Jahre und älter sein. Derzeit machen die über 65-jährigen noch einen Anteil von ca. 16% aus. Wo liegen die Gründe für diese Entwicklung, welche Herausforderungen birgt diese Entwicklung und welche Konsequenzen muss unsere Gesellschaft daraus ziehen? Und die in meinen Augen wichtigste Frage überhaupt: Wie wird sich in einer alternden Gesellschaft das Verhältnis der Generationen zu einander entwickeln?

Geburtenrate

Liebe Genossinnen und Genossen,
die Deutschen sterben aus – so hört und liest man es überall. Im ganzen Land werden Konferenzen und Kongresse abgehalten, die Untergangsszenarien heraufbeschwören. Man spricht von der „Vergreisung der Gesellschaft“ und vom „Aussterben der Deutschen“ und vergisst dabei aber gerne, dass nahezu alle westlichen Industrienationen das gleiche Schicksal teilen. Fakt ist: Wir haben in der BRD eine sehr niedrige Geburtenrate. Diese liegt im Durchschnitt bei 1,3 Kindern pro Frau. Um das Bevölkerungsniveau aufrechtzuerhalten wären aber durchschnittlich 2,1 Kinder notwendig. Diese Geburtenziffer wurde in Deutschland letztmalig 1970 erreicht. Dieses Defizit hat zur Konsequenz, dass unserem Rentenversicherungssystem auf Dauer die Einzahlenden fehlen. In absoluten Zahlen bedeutet dies, dass im Jahre 2030 nur noch zwei Menschen im erwerbsfähigen Alter auf einen Rentner kommen. 1950 waren es übrigens noch sieben. Immer weniger Erwerbstätige müssen dadurch
mehr Rentner finanzieren, basierend auf dem Umlageverfahren, welches ich Ihnen einleitend skizziert habe.

Lebenserwartung

Liebe Genossinnen und Genossen,
die geschilderte zu niedrige Geburtenrate bildet ein demografisches Phänomen, ein weiteres kommt hinzu: Die Lebenserwartung steigt. Dabei ist die steigende Lebenserwartung ein Ausdruck des Fortschritts. Und im Gegensatz zu einigen jüngeren Vertretern innerhalb der CDU und der FDP sehe ich die steigende Lebenserwartung durchweg positiv. Ich möchte Ihnen dies einmal anhand konkreter Daten veranschaulichen. 1950 lag die Lebenserwartung von Männern bei 65 Jahren und ist bis zum Jahr 2003 auf rund 76 Jahre gestiegen, die der Frauen von rund 69 in 1950 auf rund 82 Jahre im Jahr 2003. Die Lebenserwartung wird bis 2030 um etwa 2,5 weitere Jahre steigen. Dies bedeutet aber auch, dass ein Mann, der heute 65 Jahre alt ist, noch etwa 15 Jahre Rente beziehen wird. Eine heute 65-jährige rund 19 Jahre. 1950 waren dies noch 3,5 bzw. 6 Jahre weniger. Ich möchte an dieser Stelle noch einmal deutlich betonen, dass die steigende Lebenserwartung ausgesprochen positiv zu bewerten ist. Sie ist das Ergebnis des Fortschritts unserer Gesellschaft. Da wir Deutschen im Schnitt allerdings bereits mit 61 in Rente gehen, ist die Dauer des tatsächlichen Rentenbezugs sogar noch länger. Lehrer gehen übrigens im Schnitt bereits mit 57 in Pension!

Wenn man sich die öffentlichen Diskussionen der letzten Jahre zum Thema Demografie anschaut, so sieht man sich mit waren Horrormeldungen konfrontiert. Ich halte diese einseitige Art der Berichterstattung für falsch und plädiere für eine positivere Sicht des demografischen Wandels und unserer älter werdenden Gesellschaft. Es darf in meinen Augen nicht sein, dass lediglich die (vermeintlich) negativen Seiten dieser Entwicklung im Vordergrund stehen. Wir müssen begreifen, welche Chancen sich aus einer alternden Gesellschaft ergeben. Wir dürfen allerdings nicht den Fehler machen und uns einfach dem Schicksal zu ergeben. Die dargestellte Entwicklung hat fundamentale Folgen nicht nur für unsere Sozialsysteme, sondern auch für die Wirtschaft, für das allgemeine Miteinander der Generationen, aber auch für unser Bildungssystem, den Arbeitsmarkt und auch auf das Erscheinungsbild unserer Städte.

Liebe Genossinnen und Genossen,
wir alle müssen uns, und das ist das Resultat der geschilderten Entwicklung, überlegen, wie wir mit den daraus resultierenden Herausforderungen umgehen, welche Lösungen wir für die Probleme haben. Alle diese Lösungen müssen für mich aber dem Anspruch gerecht werden, keine Generation übermäßig zu belasten. In meinen Augen haben wir es mit vier Grundproblemen zu tun, auf die ich detailliert eingehen möchte.

1. Wie kann eine vernünftige Pflege und finanzielle Absicherung im Alter auch weiterhin gesichert werden?
2. Wie erreichen wir, dass die Lasten, die die jüngeren Generationen zu tragen haben, verhältnismäßig bleiben? Wie können wir zum Beispiel garantieren, dass die Jungen von heute eine gerechte Chance auf gebührenfreie Hochschulbildung bekommen, also die gleichen Chancen haben wie unsere Generationen?
3. Wie können die Hürden, die sich für ältere Arbeitssuchende auf dem Arbeitsmarkt unbestritten stellen, vermindert werden?
4. Und welche Veränderungen müssen sich gesamtgesellschaftlich vollziehen, damit Jung und Alt einander näher kommen?

Zu 1.
Im Bereich der Rente und der Pflege muss es Veränderungen geben, gar keine Frage, und ohne ein paar schmerzhafte Einschnitte wird es nicht gehen. Für mich ist aber auch klar, dass die Lasten fair verteilt werden müssen. Die Jüngeren und Aktiven dürfen nicht durch zu hohe Beiträge überfordert werden. Sie brauchen Spielraum für eine eigene ergänzende Altersvorsorge. Die Älteren müssen auf die Verlässlichkeit der gesetzlichen Rentenversicherung vertrauen können. Dazu sind die Renten so sicher zu machen, wie das in einer sich immer wieder verändernden Gesellschaft möglich ist. Unsere Reformen in der Alterssicherung sind die Voraussetzung für Bezahlbarkeit, Verlässlichkeit und Gerechtigkeit der Renten. Solidarische Umlagefinanzierung und die Orientierung der Renten an den Löhnen bleiben die Grundlage der Alterssicherung. Aber betriebliche und private Vorsorge werden in Zukunft unverzichtbar sein. Folgende Maßnahmen sind für die aktuelle Rentenpolitik maßgeblich:

  • Renten in dieser Legislaturperiode nicht zu senken; dies auch gesetzlich zu garantieren.
  • Die Rentenversicherungsbeiträge ab 2007 auf 19,9 % zu erhöhen und so die Rentenkasse zu stärken. Die schrittweise Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters 2012 (nicht früher!) zu beginnen und bis 2029 auf 67 Jahre zu führen.
  • Bei Rentenversicherungszeiten von mindestens 45 Jahren bleibt es auch ab 2029 bei einem vollen Rentenanspruch ab 65 Jahren.
  • Die private Vorsorge in Form von Riester-Rente und anderen erhält zusätzliche Impulse.

Zu 2:
Ich möchte Ihnen gerne von einem Beispiel erzählen, dass sich vor einiger Zeit in Florida zugetragen hat, und leider das fehlende Gerechtigkeitsgefühl zwischen Jung und Alt besonders deutlich dokumentiert. In einer Volksabstimmung wurde die Bevölkerung befragt, ob zusätzliche Abgaben für den Ausbau von Kindergärten und neue Kindergartenprogramme erhoben werden sollten. Die Abstimmenden, und dies waren mehrheitlich Rentner, stimmten gegen das Vorhaben. Sie waren der Meinung, nicht für etwas zahlen zu wollen, von dem sie keinen (vermeintlichen) Nutzen haben. In meinen Augen eine zutiefst falsche wie kurzsichtige und ungerechte Auffassung. Ungerecht auch deshalb, weil wir so den Handlungsspielraum der heute jungen Generation zunehmend einschränken. Es fehlt leider oftmals – und dies beziehe ich nicht nur auf Florida – die Erkenntnis, dass die Notwendigkeit besteht, die junge Generation gut auszubilden. Wir sprechen hier von einer Generation, die - wie dargestellt – bereits heute finanziell über Gebühr belastet wird. Sie zahlt die höchsten Rentenabgaben und dennoch müssen sie darüber hinaus private Vorsorge leisten. Ohne eine solche private Vorsorge wäre kaum ein vernünftiges Rentenniveau zu erreichen. Grund dafür ist auch die niedrige Geburtenrate. Ich weiß, dass es nun Stimmen geben wird die sagen, „Dann soll dies junge Generation doch einfach mehr Kinder bekommen!!“.

Dazu möchte ich folgendes erwidern. Das Problem ist nicht die heute niedrige Geburtenrate, sondern vielmehr sind es die fehlenden Geburten in den 70er und 80er Jahren. Hinzu kommt, dass eine lückenlose Erwerbsbiographie, so wie sie und ich diese noch kannten, heute kaum noch realistisch ist. Verwundert es sie, dass man da weniger Kinder bekommt? Neben diesen Rentenabgaben sehen sich die heute jungen Generationen mit einer zweiten finanziellen Belastung konfrontiert. In den meisten Bundesländern sind Studiengebühren eingeführt worden oder deren Einführung ist beschlossene Sache. Es handelt sich hierbei übrigens ausschließlich um CDU-Geführte Bundesländer. In diesen Ländern wurde somit das gebührenfreie Erststudium endgültig abgeschafft. Von einer Generation übrigens, die selber keinen Pfennig für ihr Studium bezahlt hat. Studiengebühren sind für mich das beste Beispiel für den Bruch des Generationenvertrages. Nicht nur weil sie sozial ungerecht und frauen- und familienfeindlich sein. Nein, sie sind auch bildungspolitisch kontraproduktiv. In Zeiten, in denen wir mehr und nicht weniger Hochschulabsolventen brauchen, schrecken diese und drohende Schuldenlasten viele junge Menschen, vor allem junge Frauen, von einem Studium ab. Und dies gilt nicht nur für Studienanwärter aus Arbeiterhaushalten, sondern gerade auch für junge Menschen aus Mittelschichten, die kein Anspruch auf BAföG haben. Der Bedarf an hoch- und höchstqualifizierten wird in den nächsten Jahren deutlich steigen. Wir können es uns also nicht leisten, dass die jüngeren Generationen schlecht ausgebildet werden. Studiengebühren sind mit Sicherheit gegenwärtig das größte Risiko für die Sicherung unseres Fachkräftenachwuchses. Genauso wie es für heute älteren Generationen einen abgesicherten Lebensabend geben muss, so muss den heute jungen Generationen, aber auch den zukünftigen Generationen dieses Landes, der Beginn des Lebens in Form von guter Bildung gesichert werden. Diese muss allen Generationen somit in gleicher Qualität zur Verfügung stehen. Erst Bildung sichert eine gerechte Teilhabe jedes Menschen am gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Leben. Dies ist der Grund, weshalb in der Bildungspolitik allein Chancengleichheit für alle das Leitmotiv sein kann. Für die Sozialdemokratie ist das Ziel gleicher Bildungschancen für alle ohne Alternative, und zwar nicht nur am Start der Lernbiografie, sondern in jeder Phase des lebensbegleitenden Lernens.
Dies setzt aber echte Chancengleichheit (auch über die Generationen hinweg) und Durchlässigkeit in allen Bereichen des Bildungssystems voraus.

Bildung bedeutet aber natürlich nicht nur Hochschulbildung. Nein, bereits die frühkindliche Förderung gehört dazu und natürlich der Schulbereich. Insbesondere hier können wir uns keine Nachlässigkeiten leisten. Andere europäische Länder machen es uns vor und liegen in den unterschiedlichsten Studien vor uns. Mit dem Investitionsprogramm „Zukunft Bildung und Betreuung“ (IZBB) haben wir genau hier angesetzt und das größte Schulbauprogramm in der Geschichte der Bundesrepublik gestartet. 4 Mrd. Euro wurden von Seiten des Bundes beim Auf- und Ausbau des Ganztagsschulprogramms investiert. Dieses Programm war ein wichtiger Impuls für eine grundlegende Erneuerung des Schulsystems in Deutschland. Denn Ganztagsschulen bilden die Basis für notwendige Reformen im Bildungswesen, und sie schaffen Zeit und Raum für die Förderung individueller Talente und für eine bessere Betreuung weniger lernstarker Schülerinnen und Schüler.

Liebe Genossinnen und Genossen,
Investitionen von heute in Bildung, Forschung und Innovation sind die Voraussetzung dafür, auch morgen unseren Wohlstand sichern zu können und ich kann nur noch einmal betonen, wie wichtig es ist, dass Jung und Alt weiterhin füreinander eintreten.

Zu 3:
Ich habe Ihnen bereits dargestellt, welche Maßnahmen im Bereich der Rentenpolitik auf den Weg gebracht wurden. Durch diese werden wir das faktische Renteneintrittsalter Schritt für Schritt erhöhen können. Diese Entwicklung kann aber nicht ohne eine Verbesserung der Wahrnehmung der Älteren in den Personalabteilungen dieses Landes vor sich gehen. Wer über 50 ist, daran gibt es nichts zu beschönigen, für den ist es außerordentlich schwer, einen neuen Job zu finden. Über 60% der Unternehmen in Deutschland beschäftigen keine Menschen, die älter sind als 50 Jahre! Die Erwerbsbeteiligung älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer muss deshalb verbessert werden. Wir wollen das Lissabon-Ziel der Europäischen Union erreichen, bis zum Jahr 2010 die Erwerbstätigenquote der über 55Jährigen auf 50% anzuheben. Gegenwärtig liegen wir bei lediglich 45,4%. Wir wollen bis 2012 auch in diesem Punkt zu den Spitzen in Europa gehören. Deswegen befürworte ich die Initiative 50plus der Bundesregierung. Mit ihr wollen wir einen Einstellungswandel erreichen. Erste konkrete Eckpunkte, wie Unternehmen motiviert werden sollen, mehr ältere Arbeitnehmer zu beschäftigen oder neu einzustellen, stehen bereits. Schließlich ist es erwiesen, dass Ältere am Arbeitsplatz genauso leistungsfähig sind wie Junge. Außerdem sind sie erfahrener, und ebenso verantwortungsvoll, engagiert und sozial kompetent. Viele Unternehmen beginnen bereits, die Erfahrung zu machen, dass altersgemischte Teams effektiver arbeiten. Erfahrung und Innovation können sich dann ergänzen – und Wissen kann in beide Richtungen weitergegeben werden. Auch auf dem Arbeitsmarkt muss das Motto gelten: Jung und Alt treten füreinander ein.

Zu 4:
Ich habe in der letzten Woche in der Süddeutschen Zeitung einen sehr interessanten Artikel gelesen, in dem es um das Verhältnis von Jung und Alt ging. Beschrieben wurde dort u.a. ein Phänomen, welches sich zunehmend in Großbritannien ausbreitet. Immer mehr ältere Menschen entwickeln Ängste gegenüber Kindern und Jugendlichen. Zum einen weil ihnen der regelmäßige Umgang mit der jungen Generation fehlt, und zum anderen, weil die Medien Kinder und Jugendliche zunehmend dämonisieren. Ich gebe zu, dass dies ein extremes Beispiel für das fehlende Miteinander von Jung und Alt ist. Schaut man sich allerdings unsere Medien an, so stellt man leider auch hier zunehmend fest, dass ältere Menschen in der öffentlichen Wahrnehmung meist nicht positiv dargestellt werden oder schlichtweg nicht vorhanden sind. Für Ältere bleibt häufig nur die Rolle der lieben Omi oder des tatterigen Greises.

Erst ganz langsam beginnt beispielsweise die Wirtschaft, die ältere Generation als große und kaufkräftige Zielgruppe zu entdecken. Altersgerechte Produkte und Dienstleistungen kommen Alt und Jung entgegen, sie dienen der ganzen Familie. Die Seniorenwirtschaft ist ein Wachstumsmarkt, sie bietet die Chance auf mehr Beschäftigung und Lebensqualität. Der sog. silver market" boomt. Dabei handelt es sich nicht nur um den Markt für Spezialschuhe für Senioren oder Ähnliches. Insbesondere in den Bereichen Ernährung, Haushalt und Wohnen, Sicherheit, Finanzdienstleistungen etc. werden Senioren als eigenständige und kaufkräftige Klientel wahrgenommen.

Ich möchte an dieser Stelle auf die Notwendigkeit eines verbesserten Miteinanders zwischen Jung und Alt hinweisen. Die unterschiedlichsten Projekte - zum Teil vom Bund initiiert und finanziert oder aber kommunal organisiert - bieten dafür eine ideale Gelegenheit. In verschiedenen Mentorenprojekten (Köln und Dortmund) fungieren beispielsweise ehemalige Arbeitnehmer als Paten für Jugendliche, die Schwierigkeiten beim Berufseinstieg haben. Beide Seiten profitieren davon, denn die Zukunftsperspektiven der Jugendlichen werden verbessert und gleichzeitig erhalten ältere Menschen eine sinn- und anspruchsvolle Aufgabe.

Ähnliche Projekte gibt es auch im Zusammenhang mit der Integration jugendlicher Spätaussiedler. In Mehrgenerationenhäusern können sich beispielsweise Generationen begegnen und gegenseitig unterstützen. In diesen offenen Tagestreffpunkten lässt sich die Isolation der verschiedenen Altersgruppen überwinden und sie unterstützen so Toleranz und Verständnis für einander.

Ausblick:

Liebe Genossinnen und Genossen,
das Thema Generationengerechtigkeit ist zweifelsohne ein zeitloses Thema und dennoch aktueller denn je. Für die Politik bedeutet es eine große Herausforderung, sicher zu stellen, dass auch in Zukunft die Generationen füreinander einstehen und die Chancen fair verteilt bleiben - egal ob für Jung oder Alt. Erst die Gemeinsamkeit von Jung und Alt macht die Gesellschaft stark. Der bereits einleitend erwähnte Solidargedanke muss auch in Zukunft die Basis für unser Handeln sein. Wir dürfen uns nicht von dramatisierenden Schlagzeilen verrückt machen lassen. Einen "Krieg der Generationen" gibt es nicht und wird es auch nicht geben. Viel zu häufig werden die von mir geschilderten positiven Beispiele ignoriert. Natürlich muss es Anpassungen an die veränderte Ausgangslage geben. Dies gilt sowohl für die heutigen Rentner, als auch für die heute junge Generation. Aber, diese Anpassungen dürfen nicht einseitig zu Lasten der Jungen gehen. Gerade wenn es um den Bereich geht, von dem die Sicherung unseres zukünftigen Wohlstandes abhängt: Die Bildung

Die hier notwendigen Investitionen müssen deshalb von allen gesellschaftlichen Gruppen geschultert werden. Die Gemeinsamkeit von Jung und Alt macht die Gesellschaft stark. Dieser Solidargedanke wird angesichts des demografischen Wandels enorme Bedeutung erhalten, davon bin ich überzeugt. Solidarität heißt dabei aber nicht Kampf der Generationen, sondern: jeder unterstützt den anderen nach seiner Leistungsfähigkeit. Und hier haben Hüftgelenksdebatten und ähnliche Diskussionen keinen Platz! In Zeiten des Wandels brauchen wir nicht weniger, sondern mehr Solidarität.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!