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Sonstige Reden

"Computerspiele als Kultur- und Wirtschaftsgut begreifen"

- nicht redigiertes und endkorrigiertes Exemplar – es gilt das gesprochene Wort -

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Entwickler,
liebe Gäste,

ich freue mich sehr, anlässlich ihrer Entwicklerkonferenz ein Grußwort an sie richten zu dürfen.

Sie blicken zurück auf eine erfolgreiche Veranstaltungsreihe in NRW, und ich wünsche ihnen, dass sie mit ihrem Umzug hierher nach Berlin ihre Arbeit erfolgreich fortsetzen. Ihr Konzept für die Zukunft lässt darauf schließen.

Ich befasse mich als Sprecher meiner Fraktion für die Bereiche Medien und Neue Medien bereits seit Jahren auch intensiv mit dem Bereich der Computerspiele - und dies nicht nur, weil ich selber gerne mal vor dem Computer hocke und spiele. Allerdings, und dies wird sie nicht wirklich überraschen, stehen leider nicht alle Politiker - auch Kollegen aus meiner eigenen Fraktion - ihrer Branche so positiv gegenüber, wie ich dies tue.

Sehr geehrte Damen und Herren,
Sie alle wissen um die kontroverse und unsägliche Debatte um so genannte „Killerspiele“, die man als alleinige Ursache für die schrecklichen Ereignisse in Emsdetten und Erfurt ausgemacht hat. Quer durch alle Parteien wird wieder einmal landauf und landab ein Verbot von so genannten „Killerspielen“ gefordert.

Doch der Zusammenhang ist falsch und die Argumentation bezüglich der Einführung eines Verbotes greift viel zu kurz, blendet die geltende Rechtslage weitgehend aus und übersieht zudem die nicht weniger bedeutsamen Aspekte eines wirksamen Jugendmedienschutzes.
Forderungen nach einem Verbot von so genannten „Killerspielen“ ignorieren dabei alle seriösen wissenschaftlichen Studien, die eben keinen direkten ursächlichen Zusammenhang von Computerspielen und realen Brutalitäten sehen. Vielmehr sind solche Forderungen - insbesondere aus München - unseriös und populistisch und ein Paradebeispiel für symbolische Politik. Für ein generelles Verbot sehe ich darüber hinaus erhebliche verfassungsrechtliche Probleme.

Ich fordere bereits seit Jahren eine Versachlichung der Diskussion. So könnte die Unterstützung und Sicherung von zielgruppengerechten und qualitativ hochwertigen Angeboten bei multimedialen Produkten, insbesondere Computerspielen und die noch notwendige öffentliche Anerkennung des wirtschaftlichen, aber auch kulturellen Wertes von Computerspielen ein Thema sein.

Sehr geehrte Damen und Herren,
die Debatte entspricht nicht der Vielfalt in ihrer Branche. Zu Unrecht werden Computerspiele in der Öffentlichkeit häufig diskreditiert und in ein zu enges und ausschließlich gewalthaltiges Bild gerückt, obwohl der Anteil von Gewaltspielen an den Computerspielen insbesondere in Deutschland vergleichsweise gering ist. Die Eindimensionalität in der Debatte schädigt ungerechtfertigter Weise die gesamte Branche und ignoriert, dass Computerspiele und andere interaktive Unterhaltungsmedien heute weitaus mehr sind und gerade in den letzten Jahren kontinuierlich an Bedeutung gewonnen haben. Wirtschaftlich, technologisch, kulturell und gesellschaftlich sind Computerspiele zu einem wichtigen Einflussfaktor in Deutschland geworden.

In Deutschland lag der Umsatz in der Computer- und Videospielsoftwareindustrie 2005 - hier greife ich zurück auf Zahlen aus dem BMWI - bei etwa 1,5 Mrd. Euro und übertraf somit deutlich den Umsatz der Filmindustrie in der Kinoerstverwertung. Dies macht die Computerspielindustrie zu einem ernstzunehmenden und zukunftsträchtigen Wirtschaftsfaktor, mit großem Innovations- und Wachstumspotenzial.

Dieses Potenzial wird in Deutschland gegenwärtig allerdings noch nicht ausreichend ausgeschöpft, so dass die deutsche Computerspielbranche in ihrer Entwicklung noch weit hinter ihren Möglichkeiten liegt und der Markt daher zwangsläufig zu einem Großteil von ausländischen Unternehmen dominiert wird. Deutsche Entwicklerstudios haben allerdings in den letzten Jahren eine hohe Qualität erreicht und sich dadurch international einen guten Ruf erworben. Dennoch spielen deutsche Produkte international weiter eine untergeordnete Rolle. Dies muss sich ändern.

Es ist daher Aufgabe einer verantwortungsvollen Kultur-, Medien- und Wirtschaftspolitik, dem dargestellten Missstand entgegenzutreten und u.a. die öffentliche Akzeptanz für Computerspiele zu erhöhen. In Deutschland bedarf es eines guten wirtschaftlichen und kreativen Klimas, durch das die Attraktivität als Wirtschaftsstandort für den Multimediasektor ebenso wie für andere Branchen weiter steigt. Besonders die Kreativwirtschaft stellt eine zentrale Zukunftsindustrie dar, die gerade in einem ausgeprägten audiovisuellen Sektor Ausdruck findet. Die vermehrte Förderung der Entwicklung und der Nutzung von qualitativ hochwertigen sowie kulturell und pädagogisch wertvollen Computerspielen muss dabei im Vordergrund stehen. Nur so können die mit hohen Vorfinanzierungskosten verbundenen Risiken abgefedert werden und nur so kann die Entwicklung deutscher und europäischer Spiele gefördert werden.

Länder wie Frankreich, Kanada, Korea oder die Skandinavischen Staaten haben den Stellenwert des Computerspielesektors bereits vor Jahren erkannt und Instrumente zur kulturellen oder wirtschaftlichen Förderung erfolgreich initiiert - nicht erfolgreich und zukunftsorientiert ist in diesem Zusammenhang die Janusköpfigkeit einiger Bundesländer, die auf der einen Seite Entwicklerstudios im Rahmen von Kultur- und Wirtschaftsförderprojekten unterstützen, um diese dann aber gleichzeitig politisch - und öffentlichkeitswirksam - zu ächten.

Ich begrüße den aktuell diskutierten Ansatz der Bundesregierung, in einem Stiftungsmodell auch die Förderung interaktiver Medien anzustoßen. Neben der Möglichkeit deutsche, aber auch europäischen Entwickler und Hersteller langfristig bei der Entwicklung von qualitativ hochwertigen Computerspielen zu unterstützen, lassen sich so gleichzeitig Maßstäbe für die durch dieses Medium vermittelten Inhalte setzen. Idealerweise wird dabei die gesamte Computerspielbranche - auch finanziell - einbezogen.
Darüber hinaus halte ich eine Ergänzung des Filmfördergesetzes auf den Bereich der Computerspiele für ausgesprochen sinnvoll und dringend erforderlich. Denn ebenso wie der Film sind auch interaktive Medien zu einem bedeutenden Bestandteil des kulturellen Lebens geworden, mit einem eindeutig kulturellen und prägenden Wert für unsere Gesellschaft. Dabei sind Computerspiele schon lange nicht mehr nur allein Bestandteil der Jugendkultur, vielmehr finden sich unabhängig von Alter und Geschlecht immer mehr Spieler und Spielerinnen in allen Bevölkerungsteilen.

Ich habe übrigens keinerlei Verständnis dafür, dass die KfW ihre Branche bisher als nicht ausreichend innovativ bezeichnet hat und ihnen die notwendigen und sinnvollen Kredite bisher verwehrt hat. Ich habe daher im letzten Jahr mehrere Gespräche mit Frau Matthäus-Meier in dieser Sache geführt und auf diesen Missstand hingewiesen. In einem gemeinsamen Gespräch mit Vertretern von G.A.M.E. (Bundesverband der Entwickler von Computerspielen) und Vertretern der KfW sieht wir in meinen Augen in dieser Sachen nun schon ein gutes Stück weitergekommen.

Sehr geehrte Damen und Herren,
wir sollten Abstand gewinnen von Verbotesdebatten. Wir sollten die Computerspielindustrie vielmehr als das begreifen was sie tatsachlich ist: eine boomende und gerade in Deutschland verantwortungsbewusste Wirtschaftsbranche. Warum machen wir Computerspiele nicht zu einem deutschen Exportartikel? Bislang nehmen wir aus Desinteresse überhaupt nicht an diesem milliardenschweren weltweiten Markt teil. In Deutschland könnten so tausende von zusätzlichen Arbeitsplätzen entstehen. All diese positiven Aspekte werden bisher konsequent ignoriert und es wird ausschließlich in negativen - ja populistischen - Zusammenhängen diskutiert.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen noch einen erfolgreichen Verlauf Ihrer Konferenz.