Sonstige Reden
"Von intelligenten T-Shirts und sprechenden Türen - von Visionen zu Produkten"
- nicht redigiertes und endkorrigiertes Exemplar – es gilt das gesprochene Wort -
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Gäste,
als ich vor einiger Zeit von meinem Kollegen Ulrich Kelber gefragt worden bin, ob ich anlässlich der Veranstaltungsreihe „Berliner Republik - Innovations-Dialoge“ einen Impulsvortrag übernehmen könnte, habe ich sofort zugesagt. Als Sprecher meiner Fraktion für die Bereiche Bildung, Forschung, Medien und Neue Medien beschäftige ich mich insbesondere im letztgenannten Bereich intensiv mit Visionen, technischen Innovationen und den Potentialen von IuK-Technologien - aber auch mit deren politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen.
Sehr geehrte Damen und Herren,
vielleicht hat der mir vom Veranstalter vorgesehene Titel meines Vortrages bei ihnen leichte Irritationen ausgelöst. Ich möchte Ihnen allerdings ganz bewusst anhand der beiden Stichworte die Vision des „Internets der Dinge“, bzw. des Ubiquitous Computings mit seinen Chancen, aber auch Risiken näher bringen.
Intelligente T-Shirts, sprechende Türen, „smarte“ Hausgeräte – Begriffe und Dinge, die der unbedarfte Beobachter vor einigen Jahren noch eher im Reich der SiFi-Literatur angesiedelt oder im besten Falle noch als Vision bezeichnet hätte. Längst sind aber diese Dinge Realität: Mehr und mehr werden Gegenstände unseres alltäglichen Lebens (beispielsweise Eintrittskarten und Pakete) sowie Konsumgüter (wie beispielsweise Kleidung) mit computergestützter „Intelligenz“ versehen und entlasten bzw. unterstützen den Menschen so bei seinen Tätigkeiten. Auf diese Weise soll eine vollständige Vernetzung des Alltags möglich werden, die dem Menschen quasi autonome technische Assistenzsysteme bieten und sich so an seinen Wünschen und Bedürfnissen orientieren. In dieser Welt des Ubiquitous Computings werden immer mehr Daten in Zukunft miteinander vernetzt und die Informationsdichte erreicht so eine neue Qualität der Informationsverarbeitung und des Computereinsatzes. In diesem „Internet der Dinge“ verschwindet der Computer als eigenständiges Gerät und geht so zunehmend in den Objekten unserer Umgebung auf.
Der Trend, die Dinge unseres alltäglichen Lebens mit „Intelligenz“ auszustatten, ist auch am Gebrauchsgegenstand Kleidung nicht vorüber gegangen. Der Vorteil von Kleidung, als „Kommunikator“ liegt dabei auf der Hand: Der Mensch ist daran gewöhnt Kleidung permanent zu tragen, so dass diese auf unauffällige Art immer verfügbar ist.
Schon jetzt werden in Pilotprojekten, zum Beispiel bei Anbietern von Mietkleidung, die Jacken und Hosen der so genannten „Blaumänner“ - dank intelligenter Etiketten zusammengeführt.
Langfristig – so sieht es die Wissenschaft – werden diese „smart clothes“ befähigt sein, selbstständig Zustände zu erkennen, diese zu analysieren und schließlich auf Basis dieser Analyse aktiv zu werden. Diese scheinbaren Visionen finden heute bereits den Weg zu konkreten Produkten.
Das Forschungszentrum Informatik in Karlsruhe macht dies bereits vor, indem es medizinische Überwachungssysteme wie mobile EKGs in ein T-Shirt integriert, womit die ambulante Patientenüberwachung verbessert wird. Ein weiteres Beispiel ist der intelligente Skianzug, der sich an den Bedürfnissen seines Trägers orientiert und Außentemperaturen oder Windverhältnisse berücksichtigt.
Experten schreiben den „smart clothes“ ein großes Zukunftspotential zu, auch wenn viel versprechende industrielle Anwendungen bisher nur in sehr geringem Maße vorhanden sind. Übrigens: eine Entwicklung, die von der deutschen Textilindustrie verschlafen wird.
Damit eine solche Kommunikation der Dinge funktioniert ist modernste Technologie erforderlich, beispielsweise die RFID-Technologie (Radio Frequency Identification – RFID). Auf winzigen Chips lassen sich durch Funkübertragungstechnik Daten speichern, die wiederum - kontaktlos durch Funk - ausgelesen werden können. Allerdings, und hier wird es problematisch, kann das kontaktlose Auslesen der Chips schnell zu einem erheblichen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte führen, wenn auf dem Chip - wie bereits praktiziert - auch personenbezogene Daten gespeichert sind. Der RFID-Chip im Personalausweis lässt sich durch eine handelsübliche Mikrowelle oder extensives Tragen in der Gesäßtasche leicht außer Betrieb bringen. Dies gilt sowohl für den Finger-, als auch den Gesichtsbildchip.
Der Einsatz von RFID-Chips im Bereich des „Internets der Dinge“ kann durchaus sinnvoll sein. Aber - problematisch kann es werden, wenn es zu einer Verknüpfung personenbezogener Daten kommt.
Sehr geehrte Damen und Herren,
in meinen Augen liegen die Vorteile dieser Technologie und die damit verbundenen Fortschritte und Anwendungsmöglichkeiten, zum Beispiel im Bereich der Logistik, durchaus auf der Hand. Im Idealfall findet hier zum Beispiel jeder Joghurt-Becher, jedes Paket, jeder Container, jeder Transportbehälter selbstständig den richtigen Weg zum Empfänger. Und es ist sicherlich auch richtig, dass sich mit dieser Technologie so für die unterschiedlichsten Wirtschaftszweige auch erhebliche ökonomische Chancen eröffnen - auch wenn ich denn Optimismus mancher Marktanalysen hier nicht ganz teile. Im Bereich der Logistik ist er aber sicher berechtigt.
Auch auf den Chips der WM-Tickets werden persönliche Daten wie Ausweisnummer und Reisepassnummer gespeichert - Hoffentlich kommt niemand auf die Idee, vor den WM-Kassen ein handelsübliches Störgerät einzusetzen.
Völlig unproblematisch können aber auch Kundenprofile erstellt oder könnte gar das persönliche Leseverhalten gespeichert werden.
Technisch könnte das kontaktlose Auslesen der Chips unter Umständen vom Besitzer oder Träger völlig unbemerkt erfolgen. Und wenn Sie „Die Zeit“ vom letzten Donnerstag gelesen haben, werden Sie festgestellt haben, dass einzelne Unternehmen sogar die Implantierung solcher Chips unter die menschliche oder tierische Haut zur Identifizierung anbieten – und dass es Menschen gibt, die sich diese Techniken wünschen und bereits einsetzen. In einer aktuellen Lobbykampagne versucht beispielsweise ein amerikanisches Unternehmen (Verichip) Abgeordnete in Washington davon zu überzeugen, jedem Wanderarbeiter einen speziellen RFID-Chip zu implantieren. Die darauf gespeicherten Daten lassen sich dann mit Hilfe von speziellen Endgeräten auslesen, ihre Träger sind damit identifizierbar.
Anrede
Ich möchte dennoch nicht soweit gehen wie einige Kritiker, die in diesen Technologien bereits die Grundlage für einen totalen Überwachungsstaat sehen. Ich möchte aber auf die durchaus vorhandenen Risiken der RFID-Technologien und damit auch in letzter Konsequenz des Ubiquitous Computings hinweisen.
Die fehlende weltweite Regulierung der vernetzten RFID-Systeme macht die gespeicherten Daten auslesbar, kopierbar und manipulierbar. Die permanente Kommunikation, auch personenbezogener Daten, wirft daher die Frage auf, inwieweit man bereits heute noch Herr seiner eigenen Daten ist oder inwieweit das Recht auf informationelle Selbstbestimmung noch gewährleistet ist. Gegenwärtig ist mehr als unklar wie zum Beispiel die unkontrollierte Zusammenführung von Daten und das unerlaubte Auslesen von Daten verhindert werden kann.
Neben diesen massiven datenschutzrechtlichen Bedenken muss aber auch geklärt werden, welche Umwelt- bzw. Entsorgungsprobleme bei der massenhaften Anwendung dieser neuen Technologien auftreten können.
Ich sehe in beiden Bereichen noch keinen gesetzgeberischen Handlungsbedarf. Ob langfristig das Kontroll- und Überwachungspotential der Funktechnik allein durch die oftmals propagierte Selbstregulierung der Industrie in den Griff zu bekommen ist, ist fraglich. Die Skepsis wird im Übrigen auch von Seiten der EU-Kommission geteilt.
Fazit
Die ökonomischen Chancen sowie die den Alltag erleichternden Potentiale der verschiedenen Technologien sollten selbstverständlich genutzt werden. Die weitere Entwicklung muss aber mit dem Datenschutzrecht begleitet werden. Die Prinzipien der Datensparsamkeit, der Transparenz, der Zweckbindung und der Wahlmöglichkeit müssen auch hier gegeben bleiben. Sinnvoll wäre hier ein Datenschutz durch Technik, weil wir mit Recht und nationalstaatlicher Regulierung immer mehr an Grenzen stoßen.
Denn RFID-Techniken bilden nur einen Aspekt im Rahmen des Ubiquitous Computings, wenn auch mit der gegenwärtig weitreichendsten Wahrnehmung in der Öffentlichkeit. Hierüber sollten wir jetzt diskutieren.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!