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Sonstige Reden

"Perspektiven der Computerspielentwicklung in Deutschland - was können wir tun?"

- nicht redigiertes und endkorrigiertes Exemplar – es gilt das gesprochene Wort -

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Entwickler,
liebe Gäste,

ich freue mich sehr, heute hier im Rahmen der Jahreshauptversammlung Ihres Verbandes zu den Perspektiven der Computerspielentwicklung in Deutschland sprechen zu dürfen.

Als ich vor einiger Zeit durch Ihren Geschäftsführer Malte Behrmann gefragt worden bin, ob ich anlässlich Ihrer Jahreshauptversammlung den Impulsvortrag übernehmen könnte, habe ich sofort zugesagt. Denn als zuständiger Sprecher meiner Fraktion für die Bereiche Bildung, Forschung, Medien und Neue Medien beschäftige ich mich auch intensiv mit dem Bereich der Computerspiele – und dies nicht nur, weil ich selber gerne mal die neuesten Spiele auf dem Markt teste. „Kampf um Mittelerde“ find ich beispielsweise gut gemacht.

Als nach den dramatischen Vorgängen Computerspiele als die wahre Ursache der furchtbaren Gewalttat von Erfurt ausfindig gemacht wurde, habe ich bis hin zum Kanzler mit meinem Outing fast Entsetzen ausgelöst, als ich mich bekannte, das auch schon und sogar ganz gerne gemacht zu haben. „Du machst Computerspiele?“ Das Entsetzen meiner KollegInnen war auf dem Gesicht ablesbar.

Meine sehr verehrten Damen und Herren,
Computerspielen, Spielern und leider auch der gesamten Computerspielbrache hängt nicht gerade der Hauch von Wünschenswertem an. Insbesondere die sehr einseitige Diskussion um so genannte „ Killerspiele“, die Sie und uns nun leider seit einigen Jahren verfolgt, hat ein - wie ich finde - falsches Licht auf die gesamte, daher auch deutsche, Computerspielbranche geworfen. Eine gesamte Branche wird dadurch ausgesprochen kritisch beäugt, über weite Teile zu Unrecht wie ich finde.

Computer- und Videospiele besitzen im Bereich des audiovisuellen Sektors eine zunehmende Bedeutung und sind bereits heute ein wichtiger kultureller und ökonomischer Faktor.
So übertraf bereits im Jahre 2001 der weltweite Umsatz der Computerspielindustrie den der Filmindustrie in der Kinoerstverwertung. Allein im Deutschland lag der Umsatz der Computerspielindustrie bei 1,5 Mrd. Euro und damit zwei 2/3 über dem Umsatz der Filmindustrie in Deutschland.

Andere Länder, wie beispielsweise Frankreich, haben die Bedeutung von Computerspielen als Kulturgut und grundlegender Bestandteil der heutigen Mediengesellschaft erkannt und fördern den Multimediasektor zum Beispiel bei der Umsetzung von innovativen Video- und Computerspielideen – soweit sind wir hierzulande leider noch nicht. Die weltweit erfolgreiche Vermarktung dieser Konzepte unterstreicht die Bedeutung von Computerspielen als Kulturwirtschaftsgut. Neben der noch notwendigen öffentlichen Anerkennung des kulturellen Wertes von Computerspielen muss über Ansätze zur Wirtschaftsförderung in diesem Bereich nachgedacht werden, die sich an der Filmförderung (z. Bsp. eine Computerspielabgabe, Erweiterung der Zuständigkeit der Filmförderungsanstalt auf den Bereich Multimedia und Computerspiele) orientieren. Nur so können die mit hohen Vorfinanzierungskosten verbundenen Risiken abgefedert werden und nur so kann die Entwicklung deutscher und europäischer Spiele gefördert werden.

Ein solcher Ansatz könnte auch den Entwicklerstandort Deutschland nachhaltig stärken, wo es heimische Produktionen, die mit niedrigeren Etats arbeiten müssen, schwer haben und so zwangsläufig von den wenigen großen ausländischen Produzenten zunehmend verdrängt werden. So stammen gegenwärtig 95% der verkauften Spiele auf dem inländischen Markt aus dem Ausland und lediglich 5% aus Deutschland. Zwar liegt der Anteil ´deutscher´ Spiele im Bereich der PC-Spiele bei ca. 10%, dafür rangiert man im Bereich der Konsolenspiele bei unter 1%.

Daher prüfen auch wir derzeit, ob und wie wir die Entwicklung von qualitativ hohen und anspruchsvollen Spielen unterstützen können. Hier könnten oder sollten auch die IT-Branche und die Informatik- und Erziehungswissenschaften einen größeren Beitrag leisten. Eine solche Unterstützung hätte auch zur Konsequenz, dass ein wichtiger Anreiz geschaffen wird, der Produktion von gewaltverherrlichenden Computerspielen auch aus kommerziellen Erwägungen entgegenzuwirken.

Gerade diese so genannten „Killerspiele“ und die damit verbundene Debatte haben dazu geführt, dass sogar der Koalitionsvertrag zwischen der SPD und der CDU sich zu dem Thema äußert und sogar das generelle Verbot solcher Spiele fordert.

Wir alle wissen, dass es höchst unerfreuliche, teilweise sogar ausgesprochen menschenverachtende und abscheuliche Computerspiele gibt. Ich stehe einem solchen generellen Verbot aber aus verschiedenen Gründen kritisch gegenüber. Zum einen weil eine genaue Abgrenzung zu anderen Computerspielen ausgesprochen schwer fallen dürfte. Sinnvoller ist hier in meinen Augen eine Verbesserung zu überprüfen, ob und wie eine weitere Verbesserung der Alterskennzeichnung - ähnlich wie bei Filmen – erreicht werden könnte. Dies werden wir im Rahmend er im Koalitionsvertrag umfassenden Evaluierung der gesetzlichen Vorgaben wie auch der Selbstregulierung im Jugendmedienschutz überprüfen.
Zum anderen weil wir aber schon das erfolgreiche Mittel der Indizierung haben. Daher ist die Verbotsdiskussion nicht neu, und noch immer von den Ereignissen in Erfurt dominiert. Natürlich ließe sich ein Spiel wie "Counter-Strike" als „Killerspiel“ bezeichnen, dennoch traue ich Leuten, die ein solches Spiel spielen nicht zu, dass sie marodierend durch die Straßen ziehen. Die Ursachen für die Abläufe in Erfurt sind andere und vielschichtiger und ich habe etwas gegen vereinfachende Erklärungsmuster, wie sie leider auch in Erfurt gerne angewendet worden sind.

Für ein generelles Verbot sehe ich darüber hinaus erhebliche verfassungsrechtliche Probleme. Da müsste man einem Erwachsenen ein Spiel verbieten, weil man Jugendliche schützen will. Ich halte die daher Verbotsinitiative für eine ziemlich gut gemeinte Veranstaltung, die aber in der Praxis sehr schwer realisierbar ist. So handelt es sich bestenfalls um symbolische Politik. Ähnlich wie im Videofilmbereich, wo ich mir übrigens ganz andere Verbote vorstellen könnte, zeigt sich, dass solche Verbote nicht durchsetzbar sind.

Wir sollten daher nicht über Verbote diskutieren, sondern vielmehr darüber, wie man aktiv vernünftige und anspruchsvolle Computerspiele fördern kann, gerade auch im Rahmen eines modern praktizierten Jugendmedienschutzes. Verbote sind in meinen Augen immer der bequemere Weg, aber sie sind auch der fundamentalistische Weg von einigen häufig selbst ernannten Jugendschützern, die meinen, auf diese Weise bestimmte Probleme bewältigen zu können. Dies soll auch für einige Vertreter meiner Partei so gelten, wobei uns die CDU aber um Längen schlägt. Ich fürchte allerdings, dass durch Verbote erst ein Schwarzmarkt für solche Computerspiele eröffnet wird.
Wir sollten wirklich Abstand gewinnen von Verboten. Wir sollten die Computerspielindustrie vielmehr als das begreifen was sie tatsachlich ist: eine boomende und gerade in Deutschland verantwortungsbewusste Wirtschaftsbranche. Warum machen wir Computerspiele nicht zu einem deutschen Exportartikel? Bislang nehmen wir aus Desinteresse überhaupt nicht an diesem milliardenschweren weltweiten Markt teil. In Deutschland könnten so tausende von zusätzlichen Arbeitsplätzen entstehen. All diese positiven Aspekte werden bisher konsequent ignoriert und es wird ausschließlich in negativen - ja populistischen - Zusammenhängen diskutiert.

Dies muss aufhören und wir müssen auch endlich für Computerspiele eine angemessene Debatten- und Streitkultur finden.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen noch einen erfolgreichen Verlauf Ihrer Jahreshauptversammlung.