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Sonstige Reden

Rede anlässlich der Nominierungskonferenz

- nicht redigiertes und endkorrigiertes Exemplar – es gilt das gesprochene Wort -

Liebe Genoss(inn)en,
liebe Freunde,

vor knapp einem Jahr habe ich Euch meine Bilanz zu „10 Jahre Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag“ vorgelegt. Es war eine Bilanz, die ich vor Euch und meinen Wählerinnen und Wählern gut vertreten und mit der ich persönlich durchaus zufrieden sein kann.

Im Wahlkreis wurden wichtige Projekte realisiert. Ich erinnere nur an Verkehrsprojekte wie die B 36 in Graben-Neudorf bis zur B 293 Gölshausen, aber auch in Ettlingen, an die B 3 Wolfartsweier. Die Bürgerinnen und Bürger in Graben-Neudorf und in Gölshausen werden sich an die unhaltbaren Zustände sicher noch gut erinnern. Diese Menschen können jetzt wieder schlafen oder sie werden künftig besser schlafen können. Ich erinnere auch an unser Programm der Lärmsanierung an Bahnstrecken, das es vor 1998 überhaupt nicht gab. Auch hier haben sich in Ubstadt-Weiher bis Friedrichstal die Verhältnisse verbessert. Malsch und Ettlingen werden in Kürze folgen.

Ich war mit Edelgard Bulmahn daran beteiligt, dass es das Ganztagsschulprogramm des Bundes gab und gibt - auch wenn Frau Schavan mit dem Programm dilettantisch umgeht und unser Oberschulamt gerade Nordbaden skandalös benachteiligt. Über 50% der Mittel gehen so nach Südwürttemberg – 20% nach Nordbaden. Trotz dieses Versagens haben viele Schulen aus unserer Region von diesem Programm profitiert. Ich denke an Bretten, an Ettlingen, Graben-Neudorf, Pfinztal und andere.

Im Forschungsbereich konnte unsere Region in erheblichem Masse von der Forschungs- und Wissenschaftsförderung der Bundesregierung profitieren. Dies hatte auch Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt in der Region. Wir haben seit 1998 entgegen aller Gerüchte und allen Gejammers und aller tatsächlich vorhanden Probleme rund 12.000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze hier in unserer Region mehr. Ganz nebenbei: Wir sind auch wieder Forschungsnation Nr. 2. Diesen Platz mussten wir in der Vergangenheit an Japan und GB abgeben.

Diese und andere Erfolge will ich auch in den Mittelpunkt des Wahlkampfs stellen. Es ist wichtig, immer wieder zu sagen, was wir getan haben und was andere, die mit der größeren Klappe, vor uns nicht geleistet haben.

Mein geschätzter Kollege Herr Fischer beispielsweise hat im Wahlkampf 2002 immer wieder behauptet, die B 36 käme unter Rot/Grün nicht. Nächstes Jahr wird sie eingeweiht. Sogar schneller und billiger als geplant. Als unbeteiligter Miesmacher wird er sich dann beim Durchschneiden des Bandes wieder vorne aufs Zeitungsfoto drängen.

Zu Herrn Fischer will ich nicht viel sagen. Aber selbst CDU-Leute wundern sich, weshalb er ein Direktmandat hat. Der Mann gehört zu den Rechtsaußen der Union im Bundestag – bis heute hat er sich nicht von den untragbaren Äußerungen seines inzwischen aus der CDU-Fraktion ausgeschlossenen Fuldaer Kollegen Hohmann distanziert. Ganz im Gegenteil: In einem Zeitungsinterview - welches noch am Tag des Ausschlusses des Abgeordneten Hohmann aus der CDU-Fraktion auf der Homepage von Axel E. Fischer abrufbar war – hat er offenbar mit Stolz festgestellt, (Zitat) „dass er mit den selben Themen wie der Fuldaer CDU-Abgeordnete Martin Hohmann seinen Wahlkampf geführt hat und dessen klare Sprache und Haltung lobt“. Aber nicht nur das, der Kollege Fischer passt einfach nicht zu unserer weltoffenen Technologieregion. Den besten Beweis lieferte er in einer Bundestagsdebatte über erneuerbare Energien am 31. Januar 2003. Dort redete er einen solchen hanebüchenen Unsinn, dass sich selbst der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion zu mehrfachen Zwischenrufen genötigt sah: „Der spricht hier nicht für unsere Fraktion! Für das Protokoll: Das ist nicht die Fraktionsmeinung!“ Aber, wie halt immer, selbst seine Rufe „Axel, bremse Dich!“ bleiben ungehört. Für mich gehört Axel E. Fischer mit seinen ultrarechten Ansichten für eine demokratische Partei nicht in den Bundestag. Ich schließe dieses Thema mit dem CSU-Abgeordneten Dr. Ramsauer: Zitat zu Fischer: Eine der unsinnigsten Reden, die ich je gehört habe. Moderner Haarschnitt, Gesichtsbräunung und Hetzkampagnen gegen Rot/Grün reichen eben nicht. Warum uns einer, dem seine eigenen Leute im Deutschen Bundestag vorwerfen, Unfug zu reden, hier wieder vorgesetzt wird, ist mir ein Rätsel.

Liebe Genossinnen und Genossen,
die OV-Vorsitzenden haben mich für die heutige Nominierung als Kandidat vorgeschlagen und ich freue mich sehr darüber und bin zur Kandidatur bereit. Die Kreisvorsitzenden Nordbaden haben mich für einen ersten Platz bei den Männern in Nordbaden für die Landesliste vorgeschlagen. Das ehrt mich sehr, zumal wir mit den Kollegen aus Rhein-Neckar, Heidelberg und Mannheim wirklich gute Abgeordnete in Berlin haben, die, wie auch unser neuer Kandidat Stefan Rebmann, mehr als vorzeigbar sind und in der Fraktion allesamt gebraucht werden. Dies gilt natürlich gerade auch für unsere Frauen. Nicolette Kressl als unsere stellvertretende Fraktionsvorsitzende und meine Kollegin für den Bereich Bildung und Forschung nenne ich gerne an erster Stelle.

Wenn Ihr es heute so entscheidet und es die Wählerinnen und Wähler so wollen, wäre dies dann meine 4. Wahlperiode in Bonn und Berlin. Ich bin bekanntlich Jahrgang 1953. Unverändert bin ich mit Irmgard verheiratet, die für ver.di heute Abend bei einem bestreikten Betrieb sein muss und deshalb nicht hier sein kann. Wir sind jetzt 29 Jahre verheiratet und wohnen bekanntlich in Kraichtal-Gochsheim.

Noch etwas Statistik darüber hinaus: Vom jüngsten SPD-BT-Abgeordneten bin ich jetzt 23 Jahre weg, der könnte also mein Sohn sein, vom ältesten nur noch 21 Jahre entfernt, ich könnte also auch dessen Sohn sein. Ob sich Otto Schily mich allerdings zum Sohne wünscht, sei dahin gestellt.

Dessen ungeachtet erhöhe ich den Altersschnitt im Deutschen Bundestag noch nicht. 215 Männer im Bundestag insgesamt sind älter als ich, 118 sind jünger. Falls Ihr mich also heute nominiert: Alterspräsident werde ich wohl noch lange nicht.

In der Fraktion bin ich Sprecher für die Bereiche Bildung, Forschung und Medien und gelte in der Sache als durchaus streitbar, meistens laut und auch als kritisch. Dennoch oder vielleicht gerade deshalb wurde ich im letzten Jahr mit einer der höchsten Stimmenzahlen im ersten Wahlgang wieder in den Fraktionsvorstand gewählt und in meinen Funktionen als Sprecher für die genannten Bereiche in geheimer Wahl einstimmig zum dritten Mal bestätigt.
Dies hat mich verständlicherweise ebenfalls sehr gefreut und natürlich auch ermuntert, erneut anzutreten und dann auch gerne weiterhin in der Sache streitbar, laut und kritisch zu sein.

Genossinnen und Genossen,
wir wissen noch nicht, wie der Bundespräsident nach der Vertrauensfrage im Deutschen Bundestag entscheidet, aber ich gehe davon aus, dass im Herbst gewählt werden wird.
Ich habe den Plan der Neuwahlen am bitteren Wahlabend der NRW-Niederlage spontan begrüßt. Er ermöglicht es uns, auch im Vorfeld unserer Landtagswahl in BaWü das Heft des Handelns wieder in die Hand zu bekommen und die Union dazu zu zwingen, endlich Farbe zu bekennen und Konzepte vorzulegen und nicht durch Hinzuwarten und Blockieren auf noch bessere Umfragewerte zu hoffen. Und seither geht es bei den Herrschaften ja auch munter zu:
Kündigungsschutz weg, ganz oder teilweise, vielleicht ja oder nein, Steuersenkungen ja und nein, Rentenkürzungen ja und nein, Mehrwertsteuererhöhung ja und nein, BAföG abschaffen ja und nein. Eigenheimzulage abschaffen ja und nein. Subventionsabbau insgesamt ja und nein. Noch schlimmer wird es, wenn man sich den Chor der europa- und außenpolitischen Stellungnahmen vergegenwärtigt.

Da komme ich nochmals zu meinem Freund Axel E. Fischer. Was hat der hier in der Presse rumgetönt, als es darum ging die Eigenheimzulage zugunsten von Bildung und Wissenschaft abzuschaffen? Jetzt wo die CDU sagt, dass sie es ohne Verwendungszweck eventuell abschaffen will, hört man von Cassius Großmaul Fischer nichts mehr. So geht’s insgesamt in der Union zu und unsere Chance für diesen Wahlkampf liegt darin, diese Absurditäten und Widersprüche der Union und der FDP im Bund und ihrer Leute vor Ort zu benennen und zu entlarven.

Ehrlich gesagt ärgert es mich wirklich bis zur Schlaflosigkeit sehr, dass wir gegen diese Leute, die bisher ohne Programm und Alternative antreten, dennoch in den letzten Jahren so in die Defensive geraten sind. Hieran haben zwei Faktoren schuld:

Erstens haben wir es nicht geschafft, und ich nehme mich hier auch nicht aus, unsere Reformen und deren zwingende Notwendigkeit zu vermitteln. Die Leute, leider auch manche Gewerkschafter und der BILD-Kommentator Lafontaine bezichtigen uns des Sozialabbaus. Wir konnten trotz aller Bemühungen leider nicht hinreichend deutlich machen, dass unsere Maßnahmen gerade dazu dienen, die Sozialversicherungssysteme in einer sich globalisierenden Welt sicherer zu machen. Die Maßnahmen der Agenda 2010 – von Investitionen in Bildung und Forschung bis hin zum Umbau unserer sozialen Sicherungssysteme – sind doch nicht nur – wie es nicht nur Gysi und Lafontaine gern darstellen – ein Sanierungsprogramm der sozialen Sicherungssysteme (und was wäre denn die Alternative zur Sanierung ?) – sie sind doch vor allem ein Programm zum bestmöglichen Erhalt der Sicherungssysteme für die sozial Schwachen, die Langzeitarbeitslosen. Nirgendwo in einem vergleichbaren Industrieland ist die medizinische Versorgung sozial schwächerer Menschen besser als hierzulande.

Und da muss man doch wirklich fragen dürfen, was denn an einer Bewegung – die sich noch nicht mal auf einen gemeinsamen Namen einigen kann, geschweige denn auf Inhalte – was an dieser Bewegung, deren wichtigstes Anliegen ist, diese Reform zu bekämpfen, eigentlich links sein kann.

Unser Kurs wurde leider auch aus den eigenen Reihen heraus bis in die letzten Tage gelegentlich als neoliberal gebrandmarkt. Ich habe den, Eindruck, dass nicht nur Lafontaine nicht weiß, was neoliberal ist. Neoliberal bedeutet den völligen Rückzug des Staates aus den wichtigsten Bereichen der Daseinsvorsorge und eine Individualisierung aller Chancen und Risiken. Der Staat soll nur noch die freie Marktentfaltung absichern. Unsere Politik bezweckt, gerade auch in und mit Europa, genau das Gegenteil. Europa mit Deutschland muss das moderne aber nicht konservierende Gegenmodell zu einem entfesselten globalen Markt sein, der keinerlei Schranken im Umgang mit Menschen und Ökologie kennt.

Der Markt allein sorgt eben nicht von allein für Bildung, Ressourcenschonung und Grundlagenforschung, nicht für die Sicherheit aller, gerade auch nicht für soziale Sicherheit. Er sorgt nicht für preiswertes Wasser und für öffentlichen Personennahverkehr. Er sorgt nicht für Schulen und sonstige Infrastruktur und er führt nicht zu gerechten Steuern und solidarischen Sozialversicherungssystemen. Im Gegenteil.

Deshalb bedarf es auch der Marktregulierung und der politischen Rahmensetzung in einer sozialen Marktwirtschaft wozu auch gehört, dass eben genügend Steuern und Sozialabgaben bezahlt werden.

Wer uns unter diesen Gesichtspunkten aber bösartig als marktradikal oder neoliberal kritisiert, sollte sich erkundigen, was schwarz-gelbe Politik bedeutet, was Westerwelle und Merkel eigentlich wirklich wollen, wovon sie mit ihrem vielstimmigen Chor ablenken wollen wenn sie schon mal – siehe IRAK – auch mal tatsächlich deutlicher wurden. Was wollen diese Leute?

Verlagerung staatlicher Bildungsausgaben auf den einzelnen, Steuersenkungen für wenige, wie in den USA, und Kopfprämien satt solidarischer Krankenversicherung. Wenn diese Herrschaften drankommen, werden unsere Betriebsräte bei Siemens und anderswo eben nicht mehr über betriebliche Bündnisse für Arbeit verhandeln können, weil den Betriebsräten schlicht die Mitbestimmung entzogen werden soll und die Unternehmen nur noch alleine entscheiden sollen.

Wir haben es noch nicht geschafft, dies zu vermitteln. Dazu haben wir jetzt die letzte Chance, möglicherweise für Jahre.

Trotzdem wäre ich auch im Nachhinein dagegen, diese Agenda 2010, die unserer SPD so viele Probleme und Niederlagen brachte und die so viele Menschen so schmerzt, wieder rückgängig zu machen. Was wäre denn die Alternative?

Natürlich wäre es einfacher gewesen, die vier Milliarden aus der Agenda beispielsweise nicht in Ganztagesschulen und 1,5 Milliarden nicht in eine bessere Betreuung der Kinder , sondern in eine minimale Rentenerhöhung zu stecken. Aber ich halte es für richtig, auch Prioritäten in dieser Form zu setzen und dies auch gegenüber der älteren Generation offensiv zu vertreten. Wenn wir es ihr erklären ist sie mit dieser Prioritätensetzung zu Gunsten der Enkelinnen und Enkel und ihrer Kinder auch einverstanden. Denn nur mit einer gut ausgebildeten jungen Generation können wir die Probleme der Zukunft und einer alternden Gesellschaft bewältigen. Gerade dies dient dem Erhalt unserer Sozialversicherungssysteme und der Innovationsfähigkeit unserer Gesellschaft. Bildung, Wissenschaft und Forschung in den Mittelpunkt zu stellen, ist ein linkes Projekt. Wir bleiben nur dann eine innovative Industrienation und werden auch nur dann unseren Wohlstand halten können, wenn wir so wie wir auch weiterhin für die Bildung und Zukunftschancen der jungen Menschen noch mehr tun und noch mehr tun, damit die dann später auch etwas für uns tun können.
Und, alle Studien belegen es, die beste Arbeitsplatzgarantie haben Jugendliche und Menschen mit einer guten Ausbildung und Weiterbildung!

Das ist übrigens auch der Grund warum ich so leidenschaftlich gegen Studiengebühren oder besser gegen Studentensteuern bin. Wir verlangen von der nächsten Generation, dass sie Schulden abträgt. Wir verlangen quasi selbstverständlich, dass sie mehr für ihr eigenes Alter vorsorgt und natürlich unsere Generation im Alter mitversorgt. Sie soll mehr Eigenverantwortung bei der Gesundheitsvorsorge übernehmen etc. etc.

Und deshalb soll sie jetzt auch noch ihre Bildung selbst mitfinanzieren? Und das gefordert von Leuten wie Dr. Hundt, Henkel und Co, die keinen Cent für ihre Uni berappt haben? Nun verlangen sie von den heute Studierenden, dass sich diese bis zum Ende ihres Studiums um mehr als 30.000 Euro oder noch höher verschulden sollen? Fragt sich eigentlich jemand, wie diese Generation am Ende ihres Studiums, wenn sie vielleicht auch eine Familie gründen will, diesen Schuldenberg abzahlen soll? Ich halte dies für unanständig. Es schreckt übrigens gerade Mittelschichten und sozial schwächere Schichten davon ab, ihre Kinder studieren zu lassen. Diese schwarz-gelbe Politik betrachte ich als einen Bruch des Generationenvertrages und da stehe ich auch bei jeder Demo an der Seite der Studierenden und deren Eltern.
Doch weiter zur kritischen Seite der Medaille: Wir haben es zudem nicht geschafft, deutlich zu machen, welches Desaster uns die CDU-geführte Bundesregierung nach 16 Jahren anderen hinterlassen hat. 1998 hatten wir 4,8 Millionen Arbeitslose. Über 4,8 Millionen. 14% Arbeitslosenquote 1998. In dieser Zählung waren aber nicht wie heute die arbeitsfähigen Sozialhilfeempfänger dabei und auch die kurz vor der Wahl 1998 geschaffenen ABM–Stellen müssen hinzugerechnet werden. Wir haben diese verlogenen Statistik korrigiert und die tatsächlichen Zahlen „ehrlich“ gemacht: Bei uns sind es jetzt 4,9 Millionen Arbeitslose und 12% Arbeitslosenquote und alle Welt redet von gestiegener Arbeitslosigkeit. Wir haben die arbeitsfähigen Sozialhilfeempfänger in die Arbeitslosenstatistik überführt und so auch die Kommunen entlastet.

Und in unserer Region haben wir dessen ungeachtet sogar mehr Jobs. Wie gesagt. 12.000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze mehr. Und 5.000 echte Selbstständige mehr. Fragt mal die Leute - alle werden aber behaupten, es gäbe weniger Beschäftigte und mehr Arbeitslose. Dies ist ein Problem, dass wir diese Miesmacherei nicht in den Griff bekamen. Herr Waigel machte die größten Schulden in der Geschichte. In keinem Jahr lag Hans Eichel darüber - in keinem!! Und dennoch werfen uns die Schwarzen die eigenen Schulden vor.
Unser größtes Problem war vor allem, dass wir immer versucht haben, Sachpolitik zu machen, während die anderen Machtpolitik gemacht haben. Gerhard Schröder sagte immer zuerst das Land. Bei den anderen gilt immer zuerst die UNION. Dann das Land.
Die Union hat im Vermittlungsausschuss die Zumutbarkeitsregelungen bei Hartz verschärft, um anschließend das harte Los der Betroffenen zu beklagen. Die haben die Praxisgebühr, die ich für richtig und erfolgreich halte, gefordert, um dann vor Ort bei den Patienten dagegen zu polemisieren. Dies ist noch an vielen weiteren Stellen, von Hartz bis zur Gesundheitsreform, von den Steuern bis zur Blockade von Wissenschaft und Forschung, eigentlich auf fast allen Felder zu beobachten.

Frau Merkel will jetzt dem Land plötzlich treu dienen. Sie hätte in den letzten Jahren dienen können, hat aber statt dessen bewusst die Probleme Deutschlands wegen ihres eigenen Machtinteresses vergrößert. Frau Merkel hat mit ihrer Blockadepolitik Deutschland geschadet. Und nun, kaum einen Tag nach der Ankündigung von Neuwahlen, fordert die Union genau diese Dinge – von der Abschaffung der Eigenheimzulage bis zum sonstigen Subventionsabbau – den sie jahrelang zu Lasten des Bundesetats und der Kommunen blockiert hat – und keiner regt sich auf! Diese Heuchelei müssen wir entlarven.

Die Medien – die kritischen Beobachter der Politik - tun es leider nicht. Bei beiden genannten Punkten spielt natürlich auch die Medienberichterstattung eine nicht zu unterschätzende Rolle. Ich habe in den vergangenen Wochen – nicht zuletzt ja auch aufgrund eigener journalistischer Erfahrungen – noch nie eine zugleich so unkritische Berichterstattung über die Konzeptionslosigkeit der Unionsparteien und der FDP wie auch eine selbstverliebte Berichterstattung, die sich nur noch darin gefällt, zu behaupten, alles Besser gewusst zu haben und nun die Mächtigen aus dem Amt jagen zu wollen, erlebt. Selbst meine Berliner Mitarbeiter, die sonst im Büro immer die Freiheit der Presse auf das Entschiedenste verteidigen, mussten in den vergangenen Wochen einräumen, dass sie eine derart ungleiche und unausgewogene Berichterstattung – zumal sie voll zu unseren Lasten geht - nur noch schwerlich verteidigen können.

Genossinnen und Genossen,
wir werden oft gefragt, warum dann aber jetzt Neuwahlen, wo doch die Union auch nach einer von uns gewonnen Wahl dann immer noch die Mehrheit im Bundesrat hätte. Für uns und mich geht es darum, im Wahlkampf die Konzeptionslosigkeit dieser Leute zu entlarven. Dazu besteht eine Chance. Zweitens können wir die Menschen auffordern, unsere Politik zu legitimieren. Es ist natürlich schwer: Aber stellt euch vor, es gelänge, im Herbst eine Legitimation für unsere Politik zu bekommen. Dies wäre ein heftiger Schlag gegen die Union, die dann mit ihrer Strategie der Konfrontation und der Blockade gescheitert wäre. Einen größeren Gewinn für die politische Kultur im Land könnte es gar nicht geben.
Lasst mich daher am Schluss klarstellen: Ja, wir haben Fehler gemacht. Unsere Hauptfehler musste leider die Partei in Landtagswahlen und übrigens nicht nur wegen des Bundes bezahlen.

Eines aber müsst Ihr wissen und solltet Ihr im Walkampf auch sagen. Ich werde es zumindest laut sagen:
Es gibt nichts, aber auch gar nichts, wofür wir uns vor den Bürgerinnen und Bürgern und vor der Verantwortung für unser Land entschuldigen müssten. Wir haben vieles noch nicht erreicht - aber umso mehr angestoßen. Unsere Leistungen können wir im Vergleich zu dem, was uns die schwarz-gelbe Regierung nach 16 Jahren 1998 hinterlassen haben, und nur das kann verglichen werden, vorzeigen.

Ein Ortsvereinsvorsitzender hat kürzlich gesagt: Wir haben keine Chance. Aber wir kämpfen und diese Chance wollen wir nutzen. Das gefällt mir sehr gut.
Wenn es uns im Herbst entgegen der Umfragen wieder gelingt, eine Mehrheit für unsere Reform- und Modernisierungspolitik zu bekommen, wäre dies ein Zeichen beachtlicher Reife der Wählerinnen und Wähler und eine Abwahl von destruktiver Oppositionspolitik. Lasst uns also kämpfen.

Duckt euch nicht weg. Dafür gibt es keinen Grund. Lasst die anderen ruhig so arrogant und größenwahnsinnig wie in den letzten Wochen auftreten und uns selbst demgegenüber offen, selbstkritisch aber selbstbewusst vor die Bevölkerung treten.

Ich bin gerne vorne mit dabei und ich freue mich darauf – und bitte Euch hier und heute und im Wahlkampf um Eure Unterstützung. Die CDU hat ein gutes Frühjahr und einen guten Frühling. Doch Frühling ist seit heute vorbei. Jetzt kommt unser Sommer und deren Herbst. Wir haben noch lange nicht fertig.