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Sonstige Reden

"Bildung, Forschung, Innovation und Agenda 2010"

- nicht redigiertes und endkorrigiertes Exemplar – es gilt das gesprochene Wort -

Sehr geehrte Damen und Herren,
ich danke Ihnen sehr herzlich für die Möglichkeit, die Ferienakademie der Stiftung der Deutschen Wirtschaft in Lübbenau mit einem Einführungsvortrag eröffnen zu dürfen. Diese Ferienakademie ist überschrieben mit dem Titel: „Bildung, Arbeit, Forschung – welches Potential hat Deutschland?“. Sie haben mich eingeladen, um zu diesem Themenkomplex aus der Sicht als Parlamentarier und in meiner Funktion als bildungs-, forschungs- und medienpolitischer Sprecher der Fraktion der SPD im Deutschen Bundestag Stellung zu nehmen. Diese Möglichkeit nehme ich sehr gern wahr, zumal in der gegenwärtigen öffentlichen Diskussion die Vorhaben der Agenda 2010 zwar intensiv diskutiert werden, wobei jedoch die bildungs-, forschungs- und innovationspolitischen Schwerpunkte der Agenda 2010 leider regelmäßig unberücksichtigt bleiben.

Unter dem Begriff "Agenda 2010" ist das umfassende Programm der SPD-geführten Bundesregierung zur Ankurbelung des Wirtschaftssystems, zur langfristigen Sicherung der Sozialsysteme und zur Stärkung des Standortes Deutschland zusammengefasst. Der Bundeskanzler hat die Agenda 2010 am 14. März 2003 im Deutschen Bundestag vorgestellt. Vor wenigen Wochen wurde im Deutschen Bundestag mit dem Hartz-IV-Gesetz ein wichtiger Baustein der Reformagenda 2010 im Deutschen Bundestag beschlossen. Bereits im vergangenen Jahr hat der Deutsche Bundestag den Kompromiss zur Gesundheitsreform verabschiedet. Die Agenda 2010 gibt notwendige Antworten auf die radikal veränderten Herausforderungen der Gegenwart. Es geht dabei um grundsätzliche Weichenstellungen und weitreichende Umstrukturierungen in den Bereichen Konjunktur und Haushalt, Arbeit und Wirtschaft sowie soziale Sicherung. Es geht um die Erneuerung unserer Wirtschaft, unserer Gesellschaft insgesamt, ohne dass soziale Gerechtigkeit oder das Ziel einer sozialen Marktwirtschaft preisgegeben wird. Das hierbei natürlich auch Einschnitte notwendig sind, die auch schmerzlich sein können, ist uns natürlich durchaus bewusst. Aber: Wir müssen zum Wandel im Innern bereit sein. Die Welt verändert sich in rasender Geschwindigkeit. Das reicht bis in unseren Alltag, in unsere Arbeitswelt, unsere Familien und unsere Gewohnheiten hinein. Die Alternative ist eindeutig: Wir müssen unsere Gesellschaft und unsere sozialen Sicherungssysteme modernisieren, um diese langfristig erhalten und zukunftssicher machen zu können.

Wichtig dabei ist, dass die in der Agenda 2010 vorgelegten Maßnahmen nicht isoliert, sondern vielmehr im Zusammenhang gesehen werden müssen. Strukturmaßnahmen in der Arbeitsmarkt-, Sozial- und Gesundheitspolitik auf der einen Seite stehen Investitionsprogramme für Kommunen, private Haushalte und Bauwirtschaft gegenüber, die bereits beschlossene Maßnahmen wie die Steuerreform ergänzen. Die Agenda geht weit über den Umbau sozialer Leistungen hinaus. Die wichtigsten Reformvorhaben im Rahmen der Agenda 2010 sind:

  • Reform der Gemeindefinanzen und ein kommunales Investitionsprogramm,
  • Umsetzung der Steuerreform und Vorziehen der für 2005 geplanten Entlastung,
  • die weitere Flexibilisierung des Arbeitsmarkts,
  • die Begrenzung des Arbeitslosengeldes,
  • die solidarische Reform des Gesundheitswesens, mit der durch mehr Wettbewerb im System kostentreibende Monopolstrukturen beseitigt werden,
  • die Modernisierung des Handwerksrechts,
  • ein umfassender Bürokratieabbau
  • und schließlich
  • die Investitionen in Bildung und Forschung als die wichtigsten Zukunftsinvestitionen werden weiter erhöht.

Der Bundeskanzler hat bei den Auseinandersetzungen um die Agenda 2010, die einen tiefgreifenden und langfristig wirksamen Reformprozess in Gang setzen muss, immer wieder darauf hingewiesen, dass zugleich – eben als Kehrseite derselben Medialle - die Zukunftsinvestitionen für Bildung, Forschung und Entwicklung ausgebaut werden müssen, um die Ressourcen für die Herausforderungen von morgen freizulegen und zu ermöglichen. Im Deutschen Bundestag erklärte Gerhard Schröder: „Unsere Aufgabe ist es, angesichts dieses veränderten Umfelds, angesichts des veränderten Alteraufbaus unserer Gesellschaft dafür zu sorgen, dass wir unsere sozialen Verpflichtungen erfüllen können, gleichzeitig aber die Ressourcen unseres Landes freisetzen, um in das zu investieren, was wirklich über die Zukunft entscheidet, das heißt bessere Betreuung unserer Kinder, mehr Investitionen in Bildung, mehr Investitionen in Forschung und Entwicklung.“
Die Innovationsfähigkeit unseres Landes, die Schwerpunkte der Bildungs-, Forschungs- und Innovationspolitik und die Potenziale Deutschlands möchte ich – das Motto Ihrer Ferienakademie aufgreifend - zum Schwerpunkt dieses Einführungsvortrages machen. In der anschließenden Diskussion nehme ich natürlich gern auch zu anderen Schwerpunkten der Agenda 2010 Stellung, sofern dies von Ihrer Seite gewünscht wird.

Innovationen bedeuten Zukunft gestalten
Innovationen sind das Lebenselixier unserer Gesellschaft. Wir brauchen sie, um zukunftsfähige Arbeitsplätze zu schaffen und Wachstum und Wohlstand zu sichern. Wenn ich mir das Programm der Ferienakademie der Stiftung der Deutschen Wirtschaft ansehe, dann werden Sie ja mit Ihrem Besuch in Dresden wichtige Innovationsbeispiele auch aus der Nähe anschauen können: Infineon und die gläserne Manufaktur von VW. Durch Innovationen entstehen neue Chancen: wirksame Medikamente, bessere Arbeitsbedingungen, eine gesündere Umwelt. Bildung und Forschung sind der Motor für Innovation. Aus Forschung entstehen Ideen und Konzepte für neue Produkte, Verfahren und Dienstleistungen. Doch dazu brauchen wir kluge und kreative Köpfe: Ohne wissenschaftlichen Nachwuchs keine Spitzenforschung. Ohne qualifizierte Fachkräfte keine leistungsfähigen Unternehmen.

Deutschland im globalen Innovationswettlauf
Deutschland steht in einem globalen Innovationswettlauf um die besten Ideen und innovativsten Produkte, um Investitionsentscheidungen der Wirtschaft und die klügsten Köpfe für unser Wissenschafts- und Forschungssystem.
Die SPD-geführte Bundesregierung hat die innovationsbezogenen Haushaltstitel seit dem Wechsel von 1998 kräftig aufgestockt – um deutlich mehr als 30 Prozent. Aus diesem Grund kann sich die Position unseres Landes im internationalen Vergleich durchaus sehen lassen. Auf unserer „Habenseite“ stehen: Deutschland ist in der EU das Land, das am meisten für Forschung und Entwicklung ausgibt. Laut OECD-Statistik lag die Bundesrepublik im Jahr 2001 mit 52 Mrd. ¤ mit großem Abstand vor Frankreich (33 Mrd. ¤) und Großbritannien (30 Mrd. ¤), gemessen am BIP-Anteil allerdings – hinter Schweden und Finnland – nur auf Platz drei.

Zudem verfügen wir über eine differenzierte und leistungsfähige öffentliche und private Forschungslandschaft mit hoher Effizienz. Aber: Die wichtigsten Wettbewerber Deutschlands haben in den vergangenen Jahren das Tempo drastisch erhöht. Mehrere Indikatoren lassen einen deutlichen Abwärtstrend in der Innovationsdynamik der deutschen Wirtschaft erkennen. Die Schere öffnet sich. Die USA beispielsweise geben heute – inflationsbereinigt – 38 Prozent mehr für FuE aus als noch 1991. In Deutschland stiegen im Vergleich zu 1991 die FuE-Ausgaben nur um 14,5 Prozent.

In den 90er Jahren, also unter der Verantwortung der Vorgängerregierung, wuchsen die Ausgaben für Forschung und Entwicklung nur unterhalb des OECD-Durchschnitts an. Studien wie PISA und IGLU zeigten zudem die Defizite in der Qualität des deutschen Schulsystems auf. Im internationalen Vergleich bringt unser Bildungssystem zu wenig Hochqualifizierte hervor. Während beispielsweise die USA den Anteil mit Tertiärabschluss in 2001 auf 37 Prozent bei den 25- bis 34-Jährigen erhöht haben, stieg er in Deutschland nur auf 23 Prozent.

Mehr Geld für die Forschung, mehr Forschung fürs Geld
Die Investitionen in Bildung, Forschung und Entwicklung sind Investitionen in Innovationen und damit in die Zukunftsfähigkeit unseres Landes. Sie müssen massiv erhöht werden. Die Bundesregierung, die maßgeblich an der Formulierung der ehrgeizigen Zielsetzung von Lissabon mitgewirkt hat, nach der in der EU der Anteil der Aufwendung für Forschung und Entwicklung am BIP bis 2010 auf 3 Prozent angehoben werden soll, strebt dieses Ziel auch auf nationaler Ebene an. Wenn wir bereits heute das 3 Prozent-Ziel erreichen wollten, wären statt 53 Mrd. ¤ rund 10 Mrd. ¤ mehr für Forschung und Entwicklung erforderlich – davon rund 6 Mrd. ¤ von der Wirtschaft und 4 Mrd. ¤ vom Staat.
Innovationen brauchen eine leistungsfähige Forschungslandschaft. Um die Leistungsfähigkeit unserer Forschungsinfrastruktur weiter zu verbessern, strebt die Bundesregierung einen „Pakt für Forschung und Innovation“ zwischen Bund, Ländern und Forschungsorganisationen an: Den Forschungsorganisationen wird in den nächsten Jahren eine Steigerung um jeweils mindestens 3 Prozent garantiert. Im Gegenzug sollen sich die Forschungsorganisationen verpflichten, verstärkt mit Hochschulen zu kooperieren, ihre Nachwuchsförderung weiter zu intensivieren und den Wettbewerb zwischen den Forschungsinstituten zu fördern. Das Motto des Paktes heißt: Mehr Geld für die Forschung – mehr Forschung für das Geld.
Aber nicht nur die Forschungsorganisationen brauchen Verlässlichkeit. Innovation findet auch und gerade dort statt, wo projektorientiert und im Verbund zusammengearbeitet wird. Die Projektförderung muss - wenn sie als Transmissionsriemen wirken soll - Wissenschaft und Wirtschaft zusammenführen. Sie muss dringend gestärkt werden, auch um Investitionen der Wirtschaft im Hinblick auf das 3 Prozent-Ziel zu stimulieren.

Neue Anreize für kleine und mittlere Unternehmen sind notwendig für die Forschung und Entwicklung sowie für Innovationsprojekte und die Stimulierung von Gründungen, insbesondere von neuen High-Tech-Unternehmen. Trotz großer Fortschritte in den vergangenen Jahren muss die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Unternehmen weiter intensiviert werden. Bereits erprobte Modelle wie die Beteiligung von Unternehmen an langfristiger, aber dennoch anwendungsorientierter Forschung an Hochschulen oder der Aufbau gemeinschaftlicher Forschungseinrichtungen sollen in die Breite getragen werden. Effiziente Strukturen betreffen nicht nur die Wissenschafts- und Forschungsorganisation, sondern auch die Aufgabenteilung und Verantwortung zwischen Bund und Ländern. Vorschläge für eine Neuordnung werden auch in der Kommission zur Reform der bundesstaatlichen Ordnung entwickelt.

Lassen Sie mich zu letzterem einige Randbemerkungen machen. Reinhard Bütikofer – um hier einmal den Koalitionspartner zu zitieren – hat die Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung als „Mutter aller Reformen“ bezeichnet. Das kann ich nur unterstreichen – um gleich hinzuzufügen: es kann und darf aber nicht sein, dass ausgerechnet die Schlüsselbereiche für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes – Bildung und Forschung - dabei stiefmütterlich behandelt werden.
Bildung und Forschung dürfen in den Verhandlungen von Bund und Ländern nicht zur Verhandlungsmasse werden. Hier sind auch die Arbeitgebervertreter gefordert, klar Position zu beziehen und sich gegen Reformen aussprechen, die unter verfassungs-ästhetischen Gesichtspunkten konzipiert werden, der konkreten Sache aber schaden.
Ich begrüße es deshalb nachdrücklich, dass die Spitzenvertreter der Wirtschaft einer Verlagerung der Zuständigkeiten für die betriebliche Berufsausbildung auf die Länder, wie dies insbesondere von Seiten der CDU-Länder gefordert wird, eine eindeutige Absage erteilt haben. Denn Sie fürchten – wie übrigens auch die Gewerkschaften - ganz zurecht, dass dies in einen Flickenteppich unterschiedlichster Regelungen und Ordnungen in der beruflichen Bildung und in eine heillose Zersplitterung führen würde. Ein Mindestmaß an bundeseinheitlichen Vorgaben – das ist einhellige Meinung aller Experten - ist unabdingbar, um Mobilität junger Menschen zu gewährleisten, mehr Durchlässigkeit zwischen den Bildungswegen zu ermöglichen und europäische Anschlussfähigkeit zu realisieren.

In einem Punkt aber sind die Vertreter der Arbeitgeberseite aus meiner Sicht nicht konsequent. Wer sich gegen den Provinzialismus der Länder in der beruflichen Bildung wendet, muss dies – wenn er glaubwürdig und in sich logisch argumentieren will – auch für den Bereich der Hochschulen tun. Hier gilt dasselbe, wie im Bereich der beruflichen Bildung: eine alleinige Zuständigkeit der Länder für die Hochschulen würde Mobilität verhindern statt fördern, die Vergleichbarkeit der Abschlüsse um vieles schwieriger machen und im übrigen eine Europäisierung der Hochschullandschaft, die ein Gebot des zusammenwachsenden Europas ist, nahezu unmöglich machen.
Ich kann deshalb nicht nachvollziehen, dass die Unternehmensverbände sich an dieser Stelle zum Sachwalter des Länder-Provinzialismus machen und im Chor mit den CDU-geführten Ländern die Abschaffung des Hochschulrahmengesetzes fordern.

Die Bundesbildungsministerin hat mehrfach angeboten, die Rahmenvorgaben des Bundes für die Hochschulen auf wesentliche Kernbereiche zu reduzieren – die Zulassung, die Abschlüsse, das Dienstrecht, die Qualitätssicherung. Voraussetzung: die Länder füllen die neu gewonnenen Spielräume nicht mit neuer Bürokratie in den Landeshochschulgesetzen. Es ist schon bemerkenswert, dass bislang keines der CDU-Länder auf diese Offerte eingegangen ist. Stattdessen gehen sie – leider gemeinsam mit den Arbeitgebern - mit populistischen Forderungen nach Abschaffung des Hochrahmengesetzes hausieren. Für die Hochschulen kann einem da schon Angst und Bange werden. Jedes einzelne der 16 Hochschulgesetze der Länder ist schon heute um ein vielfaches komplizierter und bürokratischer als das HRG.
Wenn jedes Land künftig auch noch die Frage der Zulassung, der Abschlüsse und so weiter in eigener Regie regeln will, wird Deutschlands Hochschullandschaft künftig nur noch in einer Hinsicht Weltspitze sein: in der Zahl der Paragraphen pro Studierendem.

Innovationspolitik aus einem Guss
Alle Beteiligten sind sich bewusst, dass es sich um Langfristentscheidungen handelt. Bildungs-, Forschungs- und Innovationspolitik brauchen einen langen Atem. Die Vorstellung, gleichsam über Nacht könnten Innovationen und neue Produkte und Dienstleistungen aus dem Boden gestampft werden, ist abwegig. Verlässliche Rahmenbedingungen sind eine wesentliche Vorraussetzung.

Innovationen sind ein gesellschaftlicher Prozess. Sie brauchen eine Kultur, die das ganze Land und die Wirtschaft erfassen muss, andernfalls werden unsere Innovationspotenziale nur ungenügend ausgeschöpft. Vor allem kleine und mittlere Betriebe, aber auch ganze Branchen können durch unterlassene Innovationen gefährdet werden. Ein Beispiel ist die einst blühende deutsche Uhrenindustrie oder die Büromaschinenbranche. Dagegen sind die Biomedizin-Cluster im Bereich Rhein-Neckar, die „Chip-Metropole“ Dresden oder die Erfolge im Bereich der Lasertechnologie beredte Beispiele für die Arbeitsplatzerfolge einer intelligenten Technologie- und Forschungspolitik. Auch der Wandel in der industriellen Produktion infolge neuer Produktionsprozesse und -technologien sowie der Wandel der Arbeitswelt bilden für eine sozialdemokratische Forschungs- und Technologiepolitik einen wichtigen Schwerpunkt. Ein gut funktionierendes Innovationssystem braucht das Zusammenspiel auf vielen Feldern wie Forschung, Wirtschaft, Umwelt, Verkehr bis hin zu Wettbewerbspolitik, um die richtigen ökonomischen, ökologischen und rechtlichen Rahmenbedingungen zu setzen. Wir brauchen eine „Innovationspolitik aus einem Guss“.

Forschung für den Menschen
Neue Technologien stellen nicht nur ein enormes Innovationspotenzial mit großen Chancen für den Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort Deutschland dar. Sie sind eine Voraussetzung dafür, auch im 21. Jahrhundert Spitzenleistungen zu erreichen und Zukunftsunternehmen im Land zu halten oder neu anzusiedeln. Um die Chancen neuer Technologien zu nutzen, wollen die Bundesregierung und SPD-Bundestagsfraktion die Forschung und Entwicklung neuer physikalischer oder chemischer Technologien (Nanotechnologie, Plasmatechnik, Mikroreaktionstechnik u. a.), in der Materialforschung oder der Mikrosystem- und Lasertechnik gezielt fördern.

Das 21. Jahrhundert wird vor allem durch die Biowissenschaften und -technologien sowie die Chancen der gentechnischen Revolution geprägt werden. Die Biowissenschaften haben das Verständnis vom Aufbau und den Funktionsweisen sensibler ökologischer Systeme und insbesondere lebender Organismen verbessert. Die Anwendung dieses Wissens eröffnet völlig neue Möglichkeiten für das Verständnis vieler schwieriger Krankheiten und erschließt wichtige Therapiechancen. Schließlich sind grundlegende Fortschritte in Richtung auf eine ökologische Nachhaltigkeit zur Bewahrung der biologischen Vielfalt ohne die Erforschung und Entwicklung neuer Effizienz- und Solartechnologien kaum zu erwarten - Innovationen und Nachhaltigkeit bedingen einander, sie dürfen nicht als Gegensätze dargestellt werden.

Eine besondere Rolle kommt den Informations- und Kommunikationstechnologien (IuK) zu. Sowohl für die Globalisierung der Waren-, Güter- und Datenströme als auch die dynamische weltweite Entwicklung der Wissenschaft und Forschung bilden leistungsstarke IuK-Technologien eine wichtige Voraussetzung. Ihre zunehmende gesellschaftliche Bedeutung und ihre beschleunigte Nutzung und Verbreitung in Wirtschaft und Gesellschaft verlangen daher eine intensive und systematische Förderung, um die mit ihnen verbundenen Chancen für Wachstum und Beschäftigung zu nutzen.
Die Bundesregierung hat dafür mit den Aktionsprogrammen „Innovation und Arbeitsplätze in der Informationsgesellschaft des 21. Jahrhunderts'“ und „Informationsgesellschaft Deutschland 2006“ sowie mit dem Programm „IT-Forschung 2006“ entscheidende Voraussetzungen geschaffen.

Investitionen in die Köpfe
Innovation braucht kluge Köpfe – qualifizierte Fachkräfte genauso wie Akademiker. Allen seriösen Prognosen zufolge werden wir in den nächsten 10-15 Jahren eine deutlich steigende Nachfrage nach gut ausgebildeten Fachkräften erleben. Zugleich wird es – bedingt durch das Altern der Gesellschaft – zunehmend schwierig, den „Nachschub“ zu organisieren. Wir können es uns deshalb gar nicht erlauben, vorhandene Potentiale und Begabungen in der Gesellschaft brachliegen zu lassen. Zu einer Innovationspolitik aus einem Guss zählt daher, dass die Qualität von Bildung und Ausbildung über die gesamte Bildungskette verbessert wird, d. h. im Kindergarten, in der Schule, in der beruflichen Ausbildung, beim Studium. Hierzu zählt auch die Sicherung des Ausbildungsplatzangebotes. Dem dient der jüngst zwischen der Bundesregierung und der deutschen Wirtschaft abgeschlossene Pakt für Ausbildung. Die Qualität der Ausbildung muss zudem an internationalen Standards gemessen werden. Der Anteil von Hochqualifizierten muss gesteigert werden.
Aus diesem Grund hat die SPD-geführte Bundesregierung viel Engagement und viel zusätzliches Geld für das BaföG aufgebracht, um die Quote der Studienanfänger von kläglichen 28 Prozent in 1998 auf weit über 35 Prozent anzuheben. Studiengebühren wären im Übrigen der Garant dafür, dass wir wieder da landen, wo wir 1998 angefangen haben – als eines der Schlusslichter im internationalen Vergleich. Eine hohe Zahl von Studienanfängern ist kein Selbstzweck. Nochmal: wir sind in Zukunft immer mehr darauf angewiesen, möglichst viele gut und sehr gut ausgebildete Fachleute zu haben. Wer das ignoriert und finanzielle Hürden aufbaut, gefährdet unsere Innovationskraft.

Was wir brauchen ist eine offene Hochschullandschaft, die geprägt ist durch hohe Qualität in der Breite und Exzellenz in der Spitze. In der Breite braucht Deutschland keinen internationalen Vergleich zu scheuen. Nachholbedarf haben wir in der Spitze. Aus diesem Grund hat die Bundesregierung die Förderung von Spitzenuniversitäten auf den Weg gebracht: Deutschland braucht eine sehr gute Breite, aber auch internationale Leuchttürme, die die besten Köpfe aus aller Welt anziehen. Wir werden einen Wettbewerb starten, um eine positive Leistungsspirale in Gang zu setzen. Konzepte für Spitzenleistungen an Hochschulen (Graduiertenschulen, Exzellenzcluster und Spitzenuniversitäten) sollen mit insgesamt 380 Mio. ¤ jährlich unterstützt werden. Dass wir mit der Förderung von Spitzenleistungen noch nicht weiter sind, liegt ausschließlich in der Verantwortung der CDU-geführten Länder, die eine Einigung blockieren – und zwar einzig und allein aus machtpolitischen Erwägungen. Die Bundesministerin für Bildung und Forschung hat sich mit den Ländern schon vor einiger Zeit auf ein gemeinsames Konzept verständigt und das notwendige Geld dafür ist im Haushalt des Bundes schon eingeplant. Jetzt plötzlich kassiert die Union diese Verabredung und macht eine Grundsatzfrage daraus, ob der Bund hier überhaupt tätig werden darf. Es ist schon paradox: Bei Sonntagsreden und Innovationskongressen Innovationen einfordern und sich dann im hochschulpolitischen Alltag zunehmend als wichtigste Innovationsbremse in Deutschland erweisen.

Zumindest in einem Punkt sind wir nicht am Widerstand der CDU gescheitert: Wir haben den Hochschulen gerade deutlich mehr Spielräume bei der Auswahl ihrer Studierenden eingeräumt. Sie können künftig 60 Prozent ihrer Studenten selbst aussuchen. Das ist ein wichtiger Schritt in Richtung der allseits geforderten größeren Autonomie der Hochschulen.

Deutschland braucht Innovationen für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes, um auch langfristig Wachstum, Wohlstand und soziale Sicherheit zu garantieren. Die Bundesregierung unter Gerhard Schröder hat ihre Politik in den letzten Jahren konsequent auf Innovation ausgerichtet – angefangen von der massiven Aufstockung entsprechender Ausgaben über die Zielsetzung, Talente zu fordern und zu fördern, die Modernisierung der Bildungs- und Forschungsstrukturen bis hin zur Ausrichtung der Förderung am Leitmotiv „Forschung für den Menschen“. Diese Maßnahmen werden intensiviert. Wir stellen uns unserer Verantwortung für eine zukunftsfähige Bildungs-, Forschungs- und Innovationspolitik. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und hoffe, dass es mir gelungen ist, den Blick neben den aktuellen Diskussion zur Umsetzung der Agenda 2010 auch auf einige bildungs- und forschungspolitische Aspekte zu lenken, die leider in der öffentlichen Debatte und auch in den vielen Positionspapieren leider kaum zu finden sind.