Sonstige Reden
"Bildung, die Innovation von morgen"
- nicht redigiertes und endkorrigiertes Exemplar – es gilt das gesprochene Wort -
Sehr geehrte Damen und Herrn,
liebe Gäste,
Sie hatten an dieser Stelle eigentlich eine Rede der Bundesministerin für Bildung und Forschung erwartet. Frau Edelgard Bulmahn ist heute leider nicht abkömmlich, denn das Bundeskabinett hat sich bekanntlich in Klausur nach Neuhardenberg begeben, nicht zuletzt um Bildung, Forschung und Innovation in Deutschland voranzubringen. Eine bessere Entschuldigung kann es wohl für Edelgard Bulmahn für den heutigen Tag nicht geben.
So hat sie mich in meiner Funktion als bildungs- und forschungspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion gebeten, ihren für heute vorgesehenen Vortrag unter der Überschrift „Bildung, die Innovation für morgen“ zu übernehmen. Für Sie folgen daraus gewisse Abstriche im Hinblick auf Attraktivität und Prominenz des Hauptredners – auch wenn ich mich natürlich bemühen werde, diesen Erwartungen gerecht zu werden. Es hat aber vielleicht auch gewisse Vorteile, denn es ist einem Parlamentarier gelegentlich möglich, manche Dinge etwas deutlicher anzusprechen als einem Regierungsmitglied in Kabinetts- und sonstiger Disziplin.
I.
Meine Damen und Herren,
die Sozialdemokraten durchleben im Augenblick keine leichte Zeit. Wir hatten und wir haben mit der Agenda 2010 Entscheidungen zu treffen, die schmerzhaft aber unvermeidlich sind und viele auch unserer eigenen Anhänger verunsichern.
Das geht zum Teil an die Grundfeste unseres Selbstverständnisses. Manche, die ein durchsichtiges Interesse daran haben, hieraus Kapital zu schlagen, unterstellen uns Verrat unserer Grundwerte. Andere wiederum sagen, dass es gerade diese nicht mehr zeitgemäßen Werte sind, die uns im Wege stehen.
Beides ist Unsinn. Was wir tun, tun wir auf der Grundlage dieser Werte. Die haben sich nicht überlebt. Im Gegenteil. Sie sind zeitgemäßer denn je. Die Agenda 2010 der SPD-geführten Bundesregierung gibt notwendige Antworten auf die radikal veränderten Herausforderungen der Gegenwart. Es geht dabei um grundsätzliche Weichenstellungen und weitreichende Umstrukturierungen in den Bereichen Konjunktur und Haushalt, Arbeit und Wirtschaft sowie soziale Sicherung. Es geht um die Erneuerung unserer Wirtschaft, unserer Gesellschaft, ohne dass soziale Gerechtigkeit preisgegeben wird
Das gilt auch und gerade für die Bildungspolitik – und oftmals wird in der öffentlichen Debatte leider übersehen, dass es eben auch ein wichtiges Element der Agenda 2010 ist, die Investitionen in Bildung, Forschung und Innovation als die entscheidenden Zukunftsinvestitionen deutlich zu erhöhen. Es war seit jeher oberste Maxime sozialdemokratischer Bildungspolitik, Chancengleichheit zu gewährleisten und den Zugang zu Bildung für alle – ohne Ansehen der sozialen Herkunft – zu ermöglichen.
Das ist heute – und erst recht in einer Gesellschaft, die man inzwischen als Wissensgesellschaft bezeichnet - wichtiger denn je. Denn ein hohes Bildungsniveau in allen Teilen der Gesellschaft ist längst nicht mehr nur eine Frage von Teilhabe und sozialer Gerechtigkeit.
Es ist auch und vor allem eine Frage der Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft.
Allen seriösen Prognosen zufolge werden wir in den nächsten 10-15 Jahren eine deutlich steigende Nachfrage nach gut ausgebildeten Fachkräften erleben. Zugleich wird es – bedingt durch das Altern der Gesellschaft – zunehmend schwierig, den „Nachschub“ zu organisieren.
Wir können es uns deshalb gar nicht erlauben, vorhandene Potentiale und Begabungen in der Gesellschaft brachliegen zu lassen.
Wenn wir zulassen, dass Jugendliche ohne Schulabschluss und Berufsausbildung bleiben, wenn wir nicht jeden und jede mitnehmen und zu einem möglichst qualifizierten Abschluss bringen, wenn wir nicht verstärkt Möglichkeiten eröffnen, sich lebenslang weiterzubilden, dann entziehen wir unserem Innovationssystem die Basis. Wichtiger als alles andere ist, in die Köpfe und die Herzen der jungen Menschen zu investieren. Das ist die Zukunft des Landes. Dort muss der Schwerpunkt unserer Politik in Zukunft liegen.
Der Bundeskanzler hat bei den Auseinandersetzungen um die Agenda 2010, die einen tiefgreifenden und langfristig wirksamen Reformprozess in Gang setzen muss, immer wieder darauf hingewiesen, dass zugleich – eben als Kehrseite derselben Medialle - die Zukunftsinvestitionen für Bildung, Forschung und Entwicklung ausgebaut werden müssen, um die Ressourcen für die Herausforderungen von morgen freizulegen und zu ermöglichen. Im Deutschen Bundestag erklärte Gerhard Schröder: „Unsere Aufgabe ist es, angesichts dieses veränderten Umfelds, angesichts des veränderten Alteraufbaus unserer Gesellschaft dafür zu sorgen, dass wir unsere sozialen Verpflichtungen erfüllen können, gleichzeitig aber die Ressourcen unseres Landes freisetzen, um in das zu investieren, was wirklich über die Zukunft entscheidet, das heißt bessere Betreuung unserer Kinder, mehr Investitionen in Bildung, mehr Investitionen in Forschung und Entwicklung.“
Dieses Innovationssystem ist die Grundlage für unseren wirtschaftlichen Erfolg und unseren Wohlstand. An dieser Stelle gleich ein paar kurze Bemerkungen zu einer Veranstaltung, die am selben Ort vor wenigen Tagen stattgefunden hat:
Man fördert den Innovationsstandort Deutschland nicht, in dem man unsere Stärken immer wieder leugnet oder kleinredet – ganz im Gegenteil: so kann man den Innovationsstandort auch kaputtreden. Das ewige Lamento der CDU und namentlich des saarländischen Ministerpräsidenten Müller über die angeblichen Versäumnisse der Innovationspolitik wird durch dauernde Wiederholung nicht richtiger. Fakt ist:
- Deutschland ist heute Exportweltmeister in den Bereichen höherwertiger Technologien und Hochtechnologie.
- Wir sind führend bei den weltmarktrelevanten Patenten.
- In Deutschland gibt es 360 Biotechnologie-Firmen – das ist Platz 1 in Europa. Wir sind weltweit führend in Zukunftstechnologien, wie der Nano-, der optischen Technologien und zum Beispiel auch in der Materialforschung.
- Wir haben die Ausgaben für Bildung und Forschung seit 1998 um über 30 Prozent erhöht und Deutschland damit wieder herangeführt an internationales Spitzenniveau.
Das alles ist das Ergebnis konsequenter Bildungs-, Forschungs- und Technologieförderung, für die in Deutschland der Name von Edelgard Bulmahn steht.
Als Leute wie der sogenannte Zukunftsminister Rüttgers – für den eigentlich schon damals der Name Minister Rückwärts treffender war - noch das Sagen hatten, waren wir auf dem Weg in die Regionalliga. Das sind die Tatsachen.
II.
Klar ist aber auch: wir können uns auf diesen Erfolgen nicht ausruhen. Die internationale Konkurrenz wird größer, wir dürfen nicht nachlassen, wenn wir unsere Position halten wollen. Und dabei ist die Förderung von Bildung ganz wesentlich. Unsere Leitlinien für Reformen im Bildungswesen lauten:
- alle Begabungsreserven ausschöpfen
- bestehende Barrieren beim Zugang zu Bildung abbauen
- alles vermeiden, was neue Hürden aufbaut
- fördern statt selektieren
- Durchlässigkeit zwischen den Bildungswegen schaffen
um möglichst alle für das Leben und Arbeiten in der Wissensgesellschaft fit zu machen.
III.
Wir sind noch immer weit entfernt von echter Chancengleichheit. Noch immer bleiben zu viele Begabungen in Deutschland ungenutzt und zuviele junge – aber nicht nur junge – Menschen auf der Strecke. Die Probleme finden sich in allen Gliedern der Bildungskette:
- wir haben in Deutschland bis zu vier Millionen funktionale Analphabeten.
- rund ein Zehntel der Jugendlichen, die die Schule verlassen, bleiben ohne jeden Abschluss
- Nach den Befunden der IGLU-Studie entscheidet über die Schulkarriere in Deutschland nicht die Leistung, sondern die soziale Herkunft
- immer mehr Jugendliche haben Probleme eine Lehrstelle zu finden
- ein Studium ist für Kinder aus Arbeiterfamilien nach wie vor eher die Ausnahme als die Regel und bei der Beteiligung an Weiterbildung hat Deutschland im Vergleich zu anderen Staaten deutlichen Nachholbedarf.
Für Bildungspolitikerinnen und Bildungspolitiker ist jeder einzelne dieser Punkte ein Ärgernis und ein Skandal. Wir müssen deshalb mit grundlegenden Reformen dafür sorgen, dass sich dies Schritt für Schritt ändert.
IV.
Das muss bereits im Kindergarten beginnen. Die frühkindliche Förderung von Kindern – nicht zuletzt auch im Bereich der Sprachen – ist eine der zentralen bildungspolitischen Herausforderungen der Wissensgesellschaft. Interessen und Lernbereitschaft von Kindern müssen im Kindertageseinrichtungen und in der Grundschule noch besser gefördert werden – wird doch hier der Grundstein für die spätere Bildungskarriere gelegt. Das setzt eine entsprechende Aus- und Weiterbildung von Erzieherinnen und Erziehern sowie von Grundschullehrerinnen und Grundschullehrern voraus. Die Bedeutung eines solchen Umdenkens zeigt sich beispielhaft bei der Vermittlung fachübergreifender Kompetenzen.
Eine Schlüsselrolle kommt den Schulen zu. Hier verbringen die jungen Menschen den größten Teil ihrer Bildungskarriere. Und hier prägen sich – und zwar, wie uns PISA und IGLU gelehrt haben, vor allem in der Sekundarstufe 1 – die eklatanten Leistungsunterschiede aus, die Deutschland von anderen Staaten negativ unterscheiden.
Deshalb gehört es mit zu den wichtigsten Herausforderungen, dass wir hier eine Art Systemwechsel hinbekommen – weg von der selektierenden, hin zur fördernden, integrierenden Schule.
Und deshalb ist die Förderung von Ganztagsschulen so wichtig. Denn erst sie schaffen den nötigen Raum und die nötige Zeit, um sich jedem Einzelnen und jeder Einzelnen ausreichend zu widmen, jeden mitzunehmen und Talente gezielt zu fördern. Die Halbtagsschule ist damit einfach überfordert.
Ein wesentliches Element unserer Reformpolitik ist daher das Programm Bildung und Betreuung. Die Stärkung der Bildung von Kindern und eine besseres Betreuungsangebot sind wichtige politische Aufgaben der Zukunft, bei denen nicht vorrangig die Frage der formalen Zuständigkeit im Mittelpunkt stehen darf. Die Bundesregierung hat mit den Bundesländern im Rahmen einer Veraltungsvereinbarung vereinbart, neue Ganztagsschulplätze zu schaffen. Der finanzielle Anschub des Bundes von insgesamt vier Milliarden Euro soll die Bundesländer bei der Schaffung neuer Ganztagsschulplätze unterstützen. Das ist das größte Schulentwicklungsprogramm in der Geschichte der Bundesrepublik. Damit ist der erste Schritt für bessere Bildung und mehr Betreuung getan und damit ein neuer Weg zur Förderung und Unterstützung für Kinder und Eltern eröffnet worden.
Es hat leider ziemlich lange gedauert, bis auch die Konservativen auf den Trichter gekommen sind. Mittlerweile ziehen sie mit – und meistens, wie ja auch hier im Saarland, tun sie so, als sei das alles ihre Idee gewesen. Das ist zwar billig und durchsichtig. Aber es zeigt letztlich nur noch deutlicher, wie richtig die Sozialdemokraten mit dem Programm liegen.
Doch damit alleine ist es natürlich nicht getan. Wer fördern will, statt zu selektieren, kommt auch nicht drumherum, die bestehenden Schulstrukturen zu hinterfragen.
Das starre dreigliedrige Schulsystem, das nach vier Jahren die Schüler nach vermeintlicher Leistungsstärke trennt und dabei willkürliche Maßstäbe anlegt, ist von gestern. Die PISA-Sieger können darüber nur den Kopf schütteln.
Deshalb verdient Heiko Maas und die saarländische SPD mit ihrer Forderung nach einer sechsjährigen Primarschule unsere volle Unterstützung!
V.
Meine Damen und Herren,
Es gibt viel zu verbessern an unserem Bildungssystem. Und dennoch muss eines mal ganz klar gestellt werden:
Die in letzter Zeit immer öfter zu hörende Behauptung der Arbeitgeber, dass es den meisten Schülerinnen und Schüler, die heute vergeblich einen Ausbildungsplatz suchen, an grundlegenden Qualifikationen für eine Lehre fehlt, ist böswillige Propaganda auf dem Rücken der jungen Menschen.
Natürlich gibt es eine nicht unbeträchtliche Zahl junger Menschen, die weitere Vorbereitung braucht. Wir Sozialdemokraten haben deshalb übrigens die Mittel zur Förderung benachteiligter und lernschwächerer Jugendlicher seit 1998 um rund 1 Mrd. auf 2,2 Mrd Euro erhöht.
Richtig ist aber auch, dass unter den 35.000 Jugendlichen, die zum 30.09.2003 noch keinen Ausbildungsplatz gefunden hatten, mehr als 50 Prozent einen Realschulabschluss oder einen höheren Schulabschluss hatten.
Deshalb ist das Lamento der Arbeitgeber über die fehlende Ausbildungsreife vor allem eines: ein Manöver, um von den eigenen Versäumnissen abzulenken.
Die Zahl der betrieblichen Lehrstellen sinkt seit Jahren, immer mehr Jugendliche bleiben unversorgt. Wir haben deshalb gehandelt und das Gesetz zur Ausbildungsumlage beschlossen.
Wir haben zugleich nie einen Zweifel daran gelassen, dass für uns freiwillige Lösungen Vorrang haben. Das betrifft die Vereinbarung von Tarifverträgen und das betrifft die Bereitschaft der Wirtschaft zu verbindlichen Absprachen.
Wir haben der Wirtschaft einen solchen Pakt angeboten und diesen auch ins Gesetz geschrieben.
Was da jetzt zwischen Bundesregierung und Unternehmensverbänden vereinbart wurde, hat eine neue Qualität der Verbindlichkeit. Eine solche Verbindlichkeit hätten wir ohne unser Gesetz zur Ausbildungsumlage so nicht zustande gebracht.
Aber sicher ist auch: wir werden uns sehr genau ansehen, wie die vereinbarten Dinge umgesetzt werden und ob sie ihr Ziel erreichen. Denn auch das ist eine Frage der Chancengleichheit: dass jeder Jugendliche, der kann und will, einen Ausbildungsplatz erhält.
In den nächsten Wochen und Monaten werden wir uns vor allem mit der Frage der Modernisierung des dualen Ausbildungssystems befassen. Dieses System hat sich – bei allen Problemen, die es derzeit gibt – vollauf bewährt. Wir haben in Deutschland im europäischen Vergleich mit die niedrigste Arbeitslosenrate bei Jugendlichen unter 25 Jahren. Das ist mit ein Verdienst der betriebsnahen Berufsausbildung.
Gleichwohl gibt es – und das ist unbestritten - Verbesserungsbedarf, um das Berufsbildungsrecht an aktuelle Entwicklungen anzupassen: dazu gehört z.B.
- die Möglichkeit, Teile der Ausbildung im Ausland absolvieren zu können, weil Auslandserfahrungen auch in der beruflichen Bildung immer wichtiger werden;
- ein modernes Prüfungsrecht, dass es z.B. auch ermöglicht, eine Kammerabschlussprüfung in schulischen Ausbildungsgängen abzulegen, weil wir uns der Realität stellen müssen, dass schulische Ausbildungen häufig als Ausbildung zweiter Klasse angesehen werden, die entsprechend weniger Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben;
- verbesserte Möglichkeiten der Anrechnung von Teilqualifikationen auf eine anschließende Berufsausbildung;
- eine bessere Berücksichtigung schulischer Leistungen bei der Abschlussprüfung, auch um die Berufsschule aufzuwerten und die bessere Kooperation der Lernorte zu fördern
Und wir werden auch darüber zu diskutieren haben, auf welchem Weg wir mehr Durchlässigkeit aus der dualen Ausbildung in die Hochschulen schaffen.
Die Reform der beruflichen Bildung wird die bildungspolitische Debatte auf Bundesebene in den nächsten Monaten bestimmen. Das wird – übrigens auch für die Sozialpartner in Deutschland – eine Nagelprobe für die Innovationsfähigkeit des Landes.
Von Seiten der CDU hört man zu diesem Thema übrigens wenig Originelles und erst Recht wenig Neues. Ganz im Gegenteil: Ihr Konzept zur Berufsbildungsreform hat die CDU offensichtlich in weiten Teilen von uns abgeschrieben. Einer der wenigen eigenständigen Beiträge lautet: gesetzlich verordnete Kürzung der Ausbildungsvergütung.
Das ist nicht nur ein weiterer skandalöser Angriff auf die Tarifautonomie. Es ist vor allem eine Ohrfeige für alle Jugendlichen, die zum Teil für Löhne unterhalb der 400 Euro-Grenze kräftig zur Wertschöpfung beitragen.
VI.
Diese Politik zu Lasten der Jugend setzt sich nahtlos in der Hochschulpolitik fort. Ein Blick ins Wahlprogramm der saarländischen CDU reicht, um das zu belegen:
„Künftig darf auch die Einführung von Studienbeiträgen nicht mehr tabu sein“, heisst es da. Die sollen dann – das ist ja mittlerweile Mainstream bei den Studiengebührenbefürwortern – natürlich sozial abgefedert werden und alleine den Hochschulen zugute kommen.
Wer hier wie und vor allem mit wessen Geld sozial abfedern soll, bleibt – natürlich – offen. Und wer verfolgt hat, wie die CDU-geführten Länder quer durch Deutschland ihre Hochschuletats zusammengestaucht haben, der kann nur lachen über die Ankündigung, dass Studiengebühren bei den Hochschulen bleiben sollen.
Im Gegenteil. Die Hochschulen werden unter dem Strich nichts davon haben, wenn es jemals Gebühren geben wird. Die Gewinner werden trotz allen vollmundigen Ankündigungen die Finanzminister sein - die Verlierer aber die Studierenden.
Es war die sozialdemokratische Bundesregierung, die es mit großem Engagement und viel zusätzlichem Geld für das BaföG geschafft hat, die Quote der Studienanfänger von kläglichen 28 Prozent in 1998 auf weit über 35 Prozent anzuheben. Studiengebühren wären der Garant dafür, dass wir wieder da landen, wo wir 1998 angefangen haben – als eines der Schlusslichter im internationalen Vergleich.
Eine hohe Zahl von Studienanfängern ist kein Selbstzweck. Nochmal: wir sind in Zukunft immer mehr darauf angewiesen, möglichst viele gut und sehr gut ausgebildete Fachleute zu haben. Wer das ignoriert und finanzielle Hürden aufbaut, gefährdet unsere Innovationskraft.
Was wir brauchen ist eine offene Hochschullandschaft, die geprägt ist durch hohe Qualität in der Breite und Exzellenz in der Spitze. In der Breite braucht Deutschland keinen internationalen Vergleich zu scheuen. Nachholbedarf haben wir in der Spitze.
Deshalb hat Edelgard Bulmahn den Ländern das Programm zur Förderung von Spitzenleistungen an deutschen Hochschulen angeboten. Ich will hier ganz deutlich sagen: Es sind allein die CDU-geführten Länder, die eine Einigung blockieren – und zwar einzig und allein aus machtpolitischen Erwägungen.
Edelgard Bulmahn hat sich mit den Ländern schon vor einiger Zeit auf ein gemeinsames Konzept verständigt und das notwendige Geld dafür ist im Haushalt des Bundes schon eingeplant.
Jetzt plötzlich kassiert die Union diese Verabredung und macht eine Grundsatzfrage daraus, ob der Bund hier überhaupt tätig werden darf. Bei Sonntagsreden und Innovationskongressen fordert die Union Innovationen, im Alltag erweist sie sich zunehmend als wichtigste Innovationsbremse in Deutschland.
Das gilt übrigens auch im Hinblick auf die allseits geforderte Autonomie für die Hochschulen. Wir haben den Hochschulen gerade deutlich mehr Spielräume bei der Auswahl ihrer Studierenden eingeräumt. Sie können künftig 60 Prozent ihrer Studenten selbst aussuchen.
Ausgerechnet den baden-württembergischen Wissenschaftsminister Frankenberg – der sonst gern und bei jeder Gelegenheit die Autonomie der Hochschulen wie eine Monstranz vor sich herträgt – mussten wir dabei zum Jagen tragen, damit die Regelung zum Wintersemester des kommenden Jahres in Kraft tritt. Er hätte sich lieber noch ein, zwei Jahre mehr Zeit genommen.
Ein anderes Beispiel: Die Bundesbildungsministerin hat mehrfach angeboten, die Rahmenvorgaben des Bundes für die Hochschulen auf wesentliche Kernbereiche zu reduzieren – die Zulassung, die Abschlüsse, das Dienstrecht, die Qualitätssicherung. Voraussetzung: die Länder füllen die neu gewonnenen Spielräume nicht mit neuer Bürokratie in den Landeshochschulgesetzen.
Es ist schon bemerkenswert, dass bislang keines der CDU-Länder auf diese Offerte eingegangen ist. Stattdessen gehen sie – allen voran ebenfalls wieder der saarländische Ministerpräsident Müller – mit populistischen Forderungen nach Abschaffung des Hochrahmengesetzes hausieren.
Für die Hochschulen kann einem da schon Angst und Bange werden. Jedes einzelne der 16 Hochschulgesetze der Länder ist schon heute um ein vielfaches komplizierter und bürokratischer als das HRG.
Wenn jedes Land künftig auch noch die Frage der Zulassung, der Abschlüsse und so weiter in eigener Regie regeln will, wird Deutschlands Hochschullandschaft künftig nur noch in einer Hinsicht Weltspitze sein: in der Zahl der Paragraphen pro Studierendem.
VII.
Reformen im Bildungswesen sind nicht nur eine Frage des Geldes. Aber sie sind auch eine Frage des Geldes. Ob Deutschland bereit und in der Lage ist, die Investitionen in Bildung und Wissenschaft, Forschung und Entwicklung in den kommenden Jahren deutlich zu erhöhen, ist die Gretchenfrage unserer Innovationsfähigkeit.
Wir haben erheblich aufgestockt in den vergangenen Jahren und damit im Vergleich zu den 90er Jahren eine klare Trendwende eingeleitet. Deutschland gibt heute rund 2,5 Prozent des BIP für Forschung und Entwicklung aus und rund fünfeinhalb Prozent für Bildung. Das sind Werte, die sich im OECD-Vergleich zwar sehen lassen können. Aber wir sind nach wie vor nicht mit in der Spitzengruppe.
Wir müssen unsere Anstrengungen weiter steigern. Und wir können dabei nicht aus dem Füllhorn schöpfen. Deshalb müssen wir uns entscheiden: wollen wir an liebgewonnenen Subventionen festhalten oder sind wir bereit, die Schwerpunkte anders zu setzen?
Das ist eine Frage, die sich auch und gerade an die CDU/CSU richtet, die auch hier wiederum wider die eigenen Lippenbekenntnisse handelt. Unser Angebot steht: wir verzichten auf die Eigenheimzulage und stecken die damit gewonnenen Milliarden in Bildung und Forschung.
Hier könnte die Union einmal beweisen, dass es ihr Ernst ist mit ihren Bekenntnissen zu Innovation, und dass es richtig ist, tradierte Subventionen zugunsten von Innovation abzubauen!
VIII.
Nicht nur in der Frage des Geldes gilt: Wir müssen die Reform des Bildungssystems auf allen Ebenen als nationale Aufgabe begreifen.
Solche Querschüsse wie bei der Förderung der Spitzenunis können wir uns nicht mehr leisten. Bund und Länder müssen in der Bildungs- und Forschungspolitik eng miteinander kooperieren. Wir dürfen uns nicht in Kompetenzstreitigkeiten verlieren, dafür haben wir keine Zeit.
Niemand stellt die Zuständigkeit der Länder z.B. für die Schulpolitik in Frage. Aber
- es kann doch nicht wahr sein, dass wir endlos lange Diskussionen darüber führen müssen, ob der Bund sich in enger Absprache mit den Ländern überhaupt engagieren darf, um das Bildungssystem in Deutschland voranzubringen – während andere Staaten ihre Systeme schon seit langem reformiert haben und uns davonlaufen.
- es kann nicht sein, dass Ministerpräsident Müller wie „Rumpelstilzchen umherspringt“ – so schildern es Teilnehmer -, wenn in der Föderalismus-Kommission das Thema Bildung erwähnt wird.
- es kann nicht sein, dass die CDU-Länder die alleinige Kompetenz für die Hochschulen fordern, während sich die europäischen Staaten gerade um die Gestaltung eines europäischen Hochschulraumes bemühen.
- es kann nicht sein, dass wir von den jungen Menschen mehr Mobilität einfordern und die Länder jetzt auch noch die Zuständigkeit für die betriebliche Ausbildung einfordern und damit einen Flickenteppich von 16 Berufsbildungssystemen heraufbeschwören.
Dieser bildungspolitische Provinzialismus der CDU ist ein Programm zur konsequenten Vermeidung von Fortschritt und Innovation.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und hoffe, dass es mir – in Vertretung der Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn - gelungen ist, den Blick auf einige bildungs-politische Aspekte der SPD-geführten Bundesregierung zu lenken und für diese – im Unterschied zu dem bildungspolitischen Provinzialismus al la CDU und Müller - zu werben.