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20.11.2008 | Union flüchtet sich beim Jugendmedienschutz in Symbolpolitik

Pressemitteilungen

Anlässlich von Pressemeldungen zu Vorschlägen der Bundesfamilienministerin zur Änderung des Telemedienrechtes und zur Verpflichtung der Internetzugangsanbieter zur Sperrung von kinderpornographischen Inhalten erklärt der medienpolitische Sprecher der Fraktion der SPD im Deutschen Bundestag, Jörg Tauss, MdB:

Union flüchtet sich beim Jugendmedienschutz in Symbolpolitik

Der unerträgliche Missbrauch von Kindern, beispielsweise durch die Erstellung, Verbreitung und Konsum von kinderpornographischen Inhalten, ist ein zu ernstes Thema, um es für die parteipolitische Profilierung von Frau von der Leyen zu missbrauchen. Die Bundesfamilienministerin hat Medienberichten zufolge eine Änderung des Telemediengesetzes und die gesetzliche Verpflichtung der Provider zur Sperrung von kinderpornographischen Inhalten im Internet angekündigt. Natürlich sind wir uns – über alle Partei- und Fraktionsgrenzen hinweg – einig, dass es wirksame und umfassende Maßnahmen zum Schutz der Kinder und Jugendlichen geben muss und dass Straftaten wie Kinderpornographie konsequent verfolgt werden müssen. Aber dieser wichtige Schutz der Kinder und Jugendlichen kann doch nicht dadurch erreicht werden, dass wir uns auf wirkungslose symbolpolitische Forderungen beschränken, wie sie beispielsweise die Forderung nach der Sperrung von Internetangeboten durch die Internetzugangsprovider darstellt. Auch ist die von Frau von der Leyen vorgetragene pauschale Kritik an den Internetzugangsanbietern weder hilfreich noch angebracht, da diese in der Regel mit einem großen Einsatz an Personal und Technik die Strafverfolgung unterstützen und den Zugang zu entsprechenden Inhalten – sobald sie davon Kenntnis haben und soweit es ihnen technisch möglich ist - ausschließen. Oftmals sind es die Provider, die den Hinweisen ihrer Nutzer auf kriminelle Inhalte nachgehen und diese dann an die Polizei weiterleiten.

Die nun von der Bundesfamilienministerin erneut geforderte Internet-Sperrung ist aber eben lediglich ein symbolpolitischer Akt: Derartige Sperren verdrängen die entsprechenden Inhalte nur vordergründig aus dem zugänglichen Bereich und sind leicht – und im übrigen vor allem für die jungen Nutzerinnen und Nutzer des Netzes - zu umgehen; auch wird durch derartige Sperrungen kein Leid unterbunden, kein einziger Täter wirklich gefasst und auch kein einziges Bild tatsächlich aus dem Internet entfernt. Konsequenterweise müsste Frau von der Leyen dann auch die Deutsche Post und die anderen Zustellfirmen verpflichten, die ihnen anvertrauten Sendungen vor der Auslieferung hinsichtlich ihrer Rechtmäßigkeit zu kontrollieren. Auch sollte die Bundesfamilienministerin bedenken, dass die von ihr geforderte Technik – so sie denn funktionierte – nicht nur Inhalte zum Begriff „Kinderpornographie“ sperren, sondern ebenfalls dafür eingesetzt werden könnte, den Zugang zu Inhalten zu „Demokratie“, „Freiheit“ und „Dalai Lama“ zu verwehren – einige Staaten warten sehnsüchtig auf eine derartige Technologie.

Es ist nach wie vor schlichtweg nicht machbar, den Zugang zu diesen kriminellen Inhalten unmöglich zu machen, wie es die Bundesfamilienministerin fordert. Vielleicht wäre es hilfreich, wenn der für das Telemediengesetz zuständige Bundeswirtschaftsminister die Bundesfamilienministerin dahingehend unterrichtet, welche Anstrengungen bereits seit vielen Jahren – und zwar gemeinsam mit den für Jugendmedienschutz Verantwortlichen wie mit den Internetzugangsprovidern – unternommen worden sind, um den Missbrauch der weltweiten und immer wichtiger werdenden Infrastruktur durch diese kriminellen Angebote zu verhindern und den Schutz der Kinder und Jugendlichen zu verbessern. Es gibt also keinen neuen Sachstand zur technischen Möglichkeit der Internet-Sperrung – außer den, dass es offenbar Frau von der Leyen als Wahlkampfthema entdeckt hat.

Die Bundesfamilienministerin sollte zur Kenntnis nehmen, dass der Deutsche Bundestag sich in den vergangenen Jahren – und zwar auch über Koalitions- und Parteigrenzen hinweg - immer wieder für einen modernen und wirksamen Jugendmedienschutz stark gemacht und sich immer wieder auch mit den Möglichkeiten und Grenzen rechtlicher, technischer und organisatorischer Lösungsansätze zur Durchsetzung des Jugendmedienschutz auseinandergesetzt hat. Aus diesem Grund hat der Deutschen Bundestag mit der Modernisierung des Jugendmedienschutzes mit der Reform des Jugendschutzgesetzes des Bundes und mit dem Jugendmedienschutzstaatsvertrag der Länder wichtige Maßnahmen ergriffen, um den neuen Anforderungen der digitalen Welt und globaler Netze ein Stück gerechter zu werden. Auch wurde mit der Novellierung bereits wichtige Weichenstellungen dahingehend geschaffen, Jugendschutz durch Technik wirksam zu ermöglichen, beispielsweise durch den Einsatz von teilnehmerautonomen Filterprogrammen.

Die Bundesfamilienministerin beruft sich laut Medienberichten auf die Kinderkommission des Parlamentes, die ihre Forderungen vollumfänglich unterstütze. Dies betrifft sicherlich die im Grunde selbstverständliche Forderung, dass so unerträgliche Straftaten wie Kinderpornographie endlich auch im internationalen Maßstab wirksam bekämpft und verfolgt werden müssen. Mit der gesetzlichen Verpflichtung der Provider zur Sperrung von Internetangeboten hat sich die Kinderkommission aber nicht befasst. Vielmehr wird seitens der Kinderkommission große Hoffnung mit der in der kommenden Woche in Rio stattfindende Kinderschutzkonferenz verbunden. Ziel muss es sein, zu einer Stärkung der internationalen Zusammenarbeit zur Bekämpfung illegaler Inhalte im Internet, insbesondere im Bereich des Strafrechtes, zu kommen und sich auf europäischer und internationaler Ebene auf jugendschutzrechtliche Mindeststandards und deren Durchsetzbarkeit zu verständigen, wie sie beispielsweise durch das zweite Zusatzprotokoll zur Cybercrime-Konvention, das gegen rassistische und fremdenfeindliche Handlungen in und mit Computersystemen gerichtet ist, erreicht werden konnten.